Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung des beigeordneten Anwalts aus der Staatskasse bei Verschweigen von Mandantenzahlungen

 

Leitsatz (amtlich)

Der (eklatante) Verstoß des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die ihm nach § 55 Abs. 5 Satz 2 und 4 RVG obliegende Verpflichtung, empfangene Mandantenzahlungen mitzuteilen, führt nicht zwingend zu einem Wegfall oder einer Kürzung der aus der Staatskasse festzusetzenden Vergütung.

 

Normenkette

RVG § 55 Abs. 5 S. 2, Abs. 4; GKG § 63 Abs. 3 S. 1; ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

AG Siegen (Beschluss vom 17.01.2014; Aktenzeichen 15 F 171/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Siegen vom 17.01.2014 (15 F 171/10) dahin abgeändert, dass die Kostenfestsetzung vom 04.11.2013 aufgehoben wird und es bei der Festsetzung vom 13.10.2010 verbleibt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller wendet sich gegen die Anrechnung von Zahlungen seiner Mandantin auf die ihm festgesetzte und ausgezahlte Vergütung als beigeordneter Rechtsanwalt. Er wurde durch Beschluss des AG vom 23.03.2010 der Ehefrau (im Folgenden: Mandantin) in einem Scheidungsverfahren unter Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet. Im Termin vor dem AG am 16.09.2010 einigten sich die Eheleute unter Mitwirkung des Antragstellers über Unterhaltszahlungen, den Zugewinn und die sonstige Vermögensauseinandersetzung; außerdem stimmten die Eheleute darin überein, dass der Hausrat bereits geteilt war. Durch Beschluss vom selben Tage wurde der Mandantin auch Verfahrenskostenhilfe für den Abschluss des Vergleichs bewilligt. Den Wert für das Scheidungsverfahren setzte das AG auf 12.600,00 EUR und denjenigen für den Versorgungsausgleich (vorläufig) auf 1.000,00 EUR fest. Den Gegenstandswert des Vergleichs bestimmte das AG auf 56.400,00 EUR. Durch Beschluss vom selben Tage sprach das AG die Scheidung aus.

Am 17.09.2010 beantragte der Antragsteller, seine Vergütung aus der Staatskasse mit 1884,96 EUR festzusetzen. Neben einer 1,3 Verfahrensgebühr aus einem Wert von 13.600,00 EUR stellte er eine 0,8 Verfahrensdifferenzgebühr aus einem Wert von 56.400,00 EUR, eine 1,2 Terminsgebühr aus 70.000,00 EUR, eine 1,5 Einigungsgebühr aus einem Wert von 56.400,00 EUR sowie die Pauschale nach Nr. 7002 VV-RVG und die gesetzliche Umsatzsteuer in Rechnung. Mit dem Antrag erklärte er, für eine außergerichtliche Vertretung bezüglich desselben Gegenstandes sei keine Gebühr nach Nrn. 2300-2303 VV-RVG entstanden und dass er spätere Zahlungen entsprechend § 55 Abs. 5 S. 2, 2. Halbsatz RVG anzeigen werde. Tatsächlich hatte er von der Mandantin aufgrund seiner Rechnungen vom 30.12.2009 und 30.06.2010 pauschale Honorarvorschüsse von 500,00 EUR bzw. 1000,00 EUR, jeweils zuzüglich einer Pauschale für Post-und Telekommunikationsdienstleistungen und der gesetzlichen Umsatzsteuer (= 618,80 EUR bzw. 1.213,80 EUR), erhalten. Aufgrund seiner Rechnung vom 07.10.2010 ließ er sich ein weiteres Honorar von 500,00 EUR, diesmal einschließlich der Pauschale sowie der Umsatzsteuer, von seiner Mandantin zahlen. Ohne Kenntnis von den Zahlungen der Mandantin hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Antragsteller im Vorschusswege zu erstattende Vergütung durch Beschluss vom 13.10.2010 antragsgemäß auf 1.884,96 EUR festgesetzt.

Diese Zahlungen in Höhe von insgesamt 2.332,60 EUR wurden im nachträglichen Verfahren zur Überprüfung der fortdauernden Bedürftigkeit der Mandantin aktenkundig. Mit Schriftsatz vom 23.07.2013 erklärte der Antragsteller, die pauschalen Vorschüsse von netto 500,00 EUR und netto 1.000,00 EUR für Verhandlungen in Rechnung gestellt zu haben, die unter anderem in eine Vereinbarung hinsichtlich des gemeinsamen Hauses der Eheleute gemündet hätten; nach der Scheidung habe er sich mit seiner Mandantin im Oktober 2010 zur Abgeltung dieser Verhandlungen auf eine pauschale abschließende Zahlung von 500,00 EUR geeinigt.

Durch Entscheidung vom 04.11.2013 und nach Kenntniserlangung von den Zahlungen der Mandantin hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Antragsteller aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung abweichend von dem Beschluss vom 13.10.2010 auf 0,00 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass mangels Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Mehrvergleich die Terminsgebühr lediglich aus einem Wert von 13.600,00 EUR entstanden sei, so dass sich eine Vergütung von 1.693,61 EUR ergebe. Da die Mandantin nach der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe insgesamt 1.713,80 EUR (1.213,80 EUR + 500,00 EUR) an den Antragsteller gezahlt habe, seien diese Beträge auf die Vergütung anzurechnen, so dass ein Anspruch auf Vergütung aus der Staatskasse nicht mehr bestehe. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Erinnerung des Antragstellers vom 08.11.2013 hat das AG durch Beschluss vom 17.01.2014 zurückgewiesen; hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

II. Die nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

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