Entscheidungsstichwort (Thema)
Errichtung eines notariellen Testaments durch eine schreib- und sprechunfähige Person. Erteilung eines Erbscheins nach dem … 1996 in Bad Driburg verstrobenen Herrn …
Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat hält nach der Entscheidung des BVerfG v. 19.01.1999 (NJW 1999, 1553) daran fest, daß ein schreibunfähiger Stummer ein Testament nicht durch reine Gebärden oder Bewegungszeichen errichten kann.
2. Belange der Rechtssicherheit und des Schutzes dieses Personenkreises gebieten es, die vom BVerfG vorgesehene Übergangsregelung für die künftige Errichtung letztwilliger Verfügungen auch auf bereits errichtete notarielle letztwillige Verfügungen als Mindeststandard anzuwenden. Danach bedarf es wie bei Rechtsgeschäften unter Lebenden der in §§ 22, 24 BeurkG vorgesehenen Mitwirkung einer Vertrauenspersonund eines Zeugen oder zweiten Notars.
Normenkette
BGB § 2232; BeurkG §§ 22, 24 Abs. 1, 3, §§ 25, 31
Beteiligte
Verfahrensgang
LG Paderborn (Aktenzeichen 5 T 177/99) |
AG Warburg (Aktenzeichen 6 VI 45/97) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1) hat die den Beteiligten zu 2) und 3) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Wert des Gegenstandes der weiteren Beschwerde wird auf 142.000,00 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind die Kinder des am 20. Dezember 1996 verstorben Erblassers mit seiner Ehefrau … … Diese lebte von dem Erblasser getrennt; das Scheidungsverfahren war rechtshängig. Die Beteiligten zu 1) und 2) streiten darum, ob der Beteiligte zu 1) aufgrund notariellen Testaments vom 04. Dezember 1996 (UR-Nr. … Notar A den Erblasser allein beerbt hat oder ob gesetzliche Erbfolge eingetreten ist, weil der Erblasser bei der Errichtung des notariellen Testaments testierunfähig war oder das Testament des mehrfach behinderten Erblassers nicht in der gehörigen Form errichtet worden ist. Das Testament hat folgenden Wortlaut:
„Vor mir, … dem unterzeichnenden Notar
mit dem Amtssitz zu P… erschien heute zum Zwecke der Errichtung einer letztwilligen Verfügung, aufgesucht in der Intensivstation
der Renter J … geb. … 1935 und wohnhaft … dem Notar vorgestellt zur Person von dem diensthabenden Stationsarzt Dr. G …
Wie eine Unterredung mit J…ergabt, ist dieser zwar am Unterschreiben gehindert, aber in der Lage, seinen Willen zu äußern durch Reaktionen auf Fragen und Antworten.
Wegen der Schreibbehinderung des Erblassers zog der Notar als Zeugen zu Dr. … von Person bekannt.
Der Notar überzeugte sich durch die Verhandlung von der Geschäftsfähigkeit des Erblassers. Der Erschienene erklärte, ein Testament durch mündliche Erklärung errichten zu wollen und durch frühere Verfügungen von Todes wegen hieran nicht gehindert zu sein.
Er erklärte, deutscher Staatsangehöriger zu sein. Die Zuziehung des Zeugen wurde gewünscht.
Der Erblasser erklärte dem Notar mündlich seinen letzten Willen wie folgt:
§ 1
Für den Fall meines Todes berufe ich als meinen Alleinerben meinen Sohn M…
§ 2
Meine Töchter B… und J… auch meine Ehefrau E… schließe ich von der Erbfolge aus.
§ 3
Der Notar, soll beglaubigte Abschrift zurückbehalten und die Urschrift in amtliche Verwahrung beim Amtsgericht Paderborn geben.
Vorstehende Verhandlung wurde vom Notar dem Erschienenen in Gegenwart des Verhandlungszeugen vorgelesen, vom Erblasser genehmigt und alsdann vom Verhandlungszeugen und dem Notar unterschrieben wie folgt:
Dr. … (LS) … A… Notar”
Zum Nachlaß gehören neben einem hälftigen Miteigentumsanteil an einem 3-Familienhaus zwei Sparbücher. Zur Höhe der Sparguthaben sowie zum Verbleib der Sparbücher haben die Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) vom 15. Januar 1997, den das Amtsgericht entsprechend seinen Vorbescheiden vom 09. Mai 1997 und 01. Juni 1999 erteilen will.
Das Landgericht hat den Beschluß des Amtsgerichts vom 09. Mai 1997 aufgehoben und die Sache zur weiteren Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, weil die erste Instanz der Frage der Testierfähigkeit des Erblassers nicht ansatzweise nachgegangen sei. Die dagegen gerichtete weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat der Senat durch Beschluß vom 30. Juli 1998 – 15 W 472/97 – zurückgewiesen. Das Amtsgericht hat in der Sitzung vom 26. Oktober 1998 die Ehefrau des Erblassers und die Beteiligten zu 1) bis 3) persönlich angehört sowie weitere Personen aus dem Lebensumfeld des Erblassers als Zeugen vernommen. Es hat sodann zur Testierfähigkeit des Erblassers ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt, welches der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. V… unter dem 12. März 1999 erstattet hat. Unter dem 01. Juni 1999 hat das Amtsgericht erneut einen Erbschein angekündigt, der den Beteiligten zu 1) als testamentarischen Alleinerben ausweist. Auf die hiergegen gerichtete (wiederholte) erste Beschwerde hat das Landgericht diesen Vorbescheid durch Beschluß vom 15. November 1999 mit der B...