Leitsatz (amtlich)

1. Die Feststellung der Sprechunfähigkeit eines mehrfach behinderten Erblassers beurteilt sich auch nach der Entscheidung des BVerfG vom 10.1.1999 (BVerfG v. 19.1.1999 – 1 BvR 2161/94, NJW 1999, 1853) allein nach § 2233 Abs. 3 BGB; maßgeblich ist deshalb allein die tatsächliche Überzeugung des Notars zum Zeitpunkt der Beurkundung. Die Feststellung der Sprechunfähigkeit ist nicht von einer entsprechenden ausdrücklichen Erklärung des Notars in der notariellen Urkunde gemäß § 24 Abs. 1 S. 2 BeurkG abhängig.

2. Die Zuziehung einer Vertrauensperson im Sinne des § 24 Abs. 1 BeurkG setzt voraus, dass der mitwirkenden Person durch den Notar die persönliche Mitverantwortung für die Ermittlung des Erblasserwillens bei dem Beurkundungsvorgang übertragen, wird; die bloße Anwesenheit dieser Person bei der Beurkundung reicht nicht aus.

3. Die Notwendigkeit der Zuziehung einer Vertrauensperson zu der Beurkundung verstößt auch dann nicht gegen das Benachteiligungsverbot Behinderter (Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG), wenn der Notar der Überzeugung ist, sich mit dem Erblasser hinreichend verständigen zu können, weil er aufgrund persönlicher Bekanntschaft mit seiner Art der Kommunikation durch unartikulierte Laute vertraut ist.

 

Normenkette

BGB § 2233 Abs. 3; BeurkG § 24 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 23 T 266/01)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen, soweit sie mit dem Ziel der Aufhebung des Vorbescheids des AG vom 30.4.2001 eingelegt ist.

Im Übrigen wird die weitere Beschwerde als unzulässig verworfen.

Der Beteiligte zu 1) hat die den Beteiligten zu 2) und 3) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 9.250.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Erblasser war verheiratet mit G.H., die am 15.6.1997 vorverstorben ist. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Als gesetzliche Erben kommen die Beteiligten in Betracht, und zwar zu je 1/4 Anteil die Beteiligten zu 1) und 3) als Söhne des vorverstorbenen Bruders W. des Erblassers und die Beteiligte zu 2) zu 1/2 Anteil als Tochter des vorverstorbenen Bruders G. des Erblassers.

Der Erblasser, der früher erfolgreich als Unternehmer tätig war, erlitt im Jahre 1994 einen Schlaganfall, der zu einer rechtsseitigen Lähmung und einer Aphasie führte. Das AG richtete für ihn eine Betreuung ein, die nach dem Tod seiner Ehefrau von Herrn M. mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge und Entscheidung über freiheitsbeschränkende Maßnahmen geführt wurde. Mit Herrn M. war der Erblasser seit seiner Jugendzeit freundschaftlich verbunden. Für die Verwaltung der bei Bankinstituten befindlichen Vermögenswerte wurde Herr J. als Betreuer bestellt.

Der Erblasser errichtete am 28.10.1998 zur Niederschrift des Notars (UR-Nr. …) ein notarielles Testament. Zu der Beurkundungsverhandlung, die im Hause des Erblassers stattfand, zog der Notar den Steuerberater Z. als Zeugen hinzu. Anwesend war ferner der Betreuer M. des Erblassers. In der notariellen Urkunde ist zur Frage der Verständigung mit dem Erblasser festgehalten:

„Nach der Überzeugung des Notars kann der Erschienene – bedingt durch Schlaganfall – sich nur schlecht verständlich ausdrücken.

Er kann seinen Namen nicht mehr schreiben.

Seinen Willen gab er auf entsprechende Fragen des Notars durch verständliches Artikulieren zum Ausdruck, unterstützt durch eindeutige Zeichen (Nicken oder Schütteln des Kopfes), woraus sich folgende Erklärung des Erschienenen ergab:”

Die notarielle Urkunde enthält sodann die Einsetzung des Beteiligten zu 1) als Alleinerbe und seine Beschwerung mit einem Vermächtnis zugunsten des Betreuers M. hinsichtlich des Hausgrundstücks zzgl. eines Geldbetrages von 250.000 DM sowie mit einer angeordneten Testamentsvollstreckung mit der Maßgabe, dass die Bestimmung der Person des Testamentsvollstreckers gem. § 2198 Abs. 1 BGB Herrn M. überlassen wurde. Letzterer hat nach dem Tod des Erblassers von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, indem er durch Erklärung ggü. dem Nachlassgericht vom 29.11.2000 Notar B. zum Testamentsvollstrecker bestimmt hat, der seinerseits durch Erklärung vom selben Tage das Amt angenommen hat (15 VI 537/00 AG Bad Oeynhausen).

Der Beteiligte zu 3) hat in notarieller Urkunde vom 21.12.2000 (UR-Nr. … Notar Sch. in Bad Oeynhausen) die Erteilung eines gemeinschaftlichen Teilerbscheins beantragt, der aufgrund gesetzlicher Erbfolge ihn zu 1/4 Anteil und die Beteiligte zu 2) zu 1/2 Anteil als Erben ausweisen soll. Zur Begründung haben die Beteiligten zu 2) und 3) im Verfahren im Wesentlichen geltend gemacht, das notarielle Testament vom 28.10.1998 sei unwirksam, weil der Erblasser bei der Beurkundung sprechunfähig gewesen sei; er habe sich eingeschränkt allenfalls durch Gestik und Mimik verständigen können. Der Betreuer M. des Erblassers sei von dem Notar bei der Beurkundung nicht als Vertrauensperson i.S.d. § 24 BeurkG zugezogen worden.

Der Beteiligte z...

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