Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhalt für Kinder, die bei den Großeltern leben

 

Leitsatz (amtlich)

Die erweiterte Unterhaltspflicht des § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB erstreckt sich grundsätzlich nicht auf solche Kinder, die im Haushalt der Großeltern leben. Ob im Wege der Einzelanalogie (so OLG Dresden v. 12.9.2001 - 20 WF 592/01, FamRZ 2002, 695) eine Ausnahme gemacht werden kann, bleibt offen.

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Hamm (Beschluss vom 29.12.2004; Aktenzeichen 32 F 219/04)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 20.1.2005 gegen den Beschluss des AG - FamG - Hamm vom 29.12.2004 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist der Vater des am 22.5.1986 geborenen Beklagten, der bis zum 31.10.2004 bei seiner Mutter, der geschiedenen Ehefrau des Klägers, gewohnt hat. Seit dem 1.11.2004 wohnt der Beklagte in dem Haus der Großmutter und wird von dieser in gleicher Art und Weise wie im Haushalt der Mutter versorgt. Der Beklagte ist Schüler in der Klasse 12 einer Gesamtschule und wird diese Schule voraussichtlich bis zum 31.7.2005 besuchen.

Mit der Urkunde des Jugendamts Hamm vom 28.5.2001 hatte sich der Kläger verpflichtet, an den Beklagten Unterhalt i.H.v. 100 % des jeweiligen Regelbetrags nach der jeweiligen Altersstufe zu zahlen. Der Kläger ist wieder verheiratet. In der jetzigen Ehe ist der weitere Sohn M. am 2.1.1992 geboren worden.

Der Kläger begehrt die Abänderung der Urkunde vom 28.5.2001 dahin, dass er ab Klagezustellung (24.6.2004) keinen Unterhalt mehr an den Beklagten zu zahlen hat. Für diesen Antrag hat das AG dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt. Dem Beklagten hat das AG insoweit Prozesskostenhilfe bewilligt, als der Beklagte gegen eine Abänderung des Unterhaltstitels für die Monate Juni bis Oktober 2004 wendet, durch die er monatlich weniger als 318,67 EUR von dem Kläger an Kindesunterhalt erhalten soll. Zur Begründung hat das AG nach entsprechender Berechnung ausgeführt, dass der Beklagte bis Oktober 2004 als privilegierter Volljähriger i.S.d. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB anzusehen sei, für den eine gesteigerte Unterhaltspflicht bestehe. Aus diesem Grunde seien 400 EUR fiktive Nebeneinkünfte hinzuzurechnen. Ab November 2004 sei die Privilegierung i.S.d. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB entfallen, weil der Beklagte nicht mehr bei seiner Mutter, sondern bei seiner Großmutter lebe. Da eine gesteigerte Unterhaltspflicht nicht mehr bestehe, seien keine fiktiven Einkünfte aus einer Nebentätigkeit hinzuzurechnen. Dadurch entfalle eine Unterhaltspflicht.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Beschwerde und führt zur Begründung aus, dass er im Hause der Großmutter in gleicher Art und Weise versorgt werde wie im Haushalt der Mutter. Er sei deshalb gem. § 1603 Abs. 2 S. 2 analog BGB als privilegierter Unterhaltspflichtiger anzusehen.

II. Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist nicht begründet, da die beabsichtigte Rechtsverteidigung des Beklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gem. § 114 ZPO bietet.

Die Parteien streiten allein um die Rechtsfrage, ob der Beklagte auch dann als privilegierter Volljähriger i.S.d. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB anzusehen ist, wenn er im Haushalt der Großmutter lebt.

Dem Wortlaut des § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB ist zu entnehmen, dass nur diejenigen Kinder gleichrangig sind, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben. Diese Voraussetzung ist dann nicht erfüllt, falls das Kind im Haushalt der Großeltern oder eines Großelternteils lebt. Eine direkte Anwendung dieser Norm scheidet deshalb aus.

Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung liegen nach Auffassung des Senats hier nicht vor. Eine Analogie ist nur dann zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungergebnis gekommen (BGH v. 13.3.2003 - I ZR 290/00, CR 2003, 691 = BGHReport 2003, 714 m. Anm. Saenger = NJW 2003, 1932 [1933]).

Eine solch planwidrige Regelungslücke hat der Senat für den streitgegenständlichen Fall nicht feststellen können. Eine analoge Anwendung ist zwar vom OLG Dresden im Wege der Einzelanalogie wegen der Vergleichbarkeit der Lebenssituation für den Fall befürwortet worden, dass ein Kind seit der frühesten Kindheit im Haushalt der Großeltern gelebt hat. Die Situation dieses Kindes habe sich durch das Erreichen der Volljährigkeit ebenso wenig geändert, als wenn es im Haushalt eines Elternteils gelebt hätte (OLG Dresden v. 12.9.2001 - 20 WF 592/01, FamRZ 2002, 695). Diese Entscheidung hat in der Literatur zum Teil Zuspruch gefunden (Erman/Hammermann, BGB, 11. Aufl. 2004, § 1603 Rz. 119; Palandt/Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1603 Rz. 56; Wendl/Staudigl/Scholz, Das Unte...

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