Leitsatz (amtlich)
Zur Unterbrechung der Verjährung nach § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG genügt es, wenn die vorläufige Einstellung des Verfahrens wegen nach der Aktenlage angenommener Abwesenheit des Betroffenen erfolgt ist. Ein Irrtum über die tatsächliche Abwesenheit ist unschädlich. Der Irrtum muss jedoch unverschuldet sein.
Verfahrensgang
AG Schwerte (Entscheidung vom 18.02.2004) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Die Sache wird dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die der Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen hat die Landeskasse zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen einer außerorts begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 250 EUR verurteilt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen, deren Zulassung sie beantragt hat. Die Betroffene beruft sich auf Verjährung. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Entscheidung über die zulässige Rechtsbeschwerde ist zugelassen und auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen worden, weil es gemäß § 80 a Abs. 3 OWiG n.F. geboten ist, das Urteil zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen. Der vorliegende Einzelfall gibt Veranlassung, die Frage des Anwendungsbereichs des § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG für den Fall näher zu klären, dass die richtige Anschrift des Betroffenen von Anfang an bekannt ist, die Bußgeldbehörde den Bußgeldbescheid dann jedoch an einer anderen - falschen - Anschrift zustellen lässt. Insoweit handelt es sich um eine Alleinentscheidung des mitentscheidenden Einzelrichters.
III.
Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Einstellung des Verfahrens nach §§ 79 Abs. 3 OWiG in Verbindung mit § 206 a StPO. Zum Zeitpunkt der Zustellung des Bußgeldbescheides am 30. Juni 2003 war nämlich bereits gemäß §§ 24, 26 Abs. 3 StVG Verfolgungsverjährung eingetreten.
Hinsichtlich der eingetretenen Verfolgungsverjährung ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Die der Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 15. Mai 2003 vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung soll am 25. Februar 2003 begangen worden sein. Der Bußgeldbescheid wurde der Betroffenen, deren Anhörung am 07. März 2003 angeordnet worden war, aber erst am 30. Juni 2003 zugestellt.
Zu diesem Zeitpunkt war die nach §§ 24, 26 Abs. 3 StVG dreimonatige Verjährungsfrist gem. § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG, wonach der Erlass eines Bußgeldbescheides nur dann verjährungsunterbrechende Wirkung hat, sofern dieser innerhalb von zwei Wochen zugestellt wird, bereits abgelaufen. Die Unterbrechung der Verjährung ist - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts und der Generalstaatsanwaltschaft - vorliegend auch nicht nach § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG durch die vorläufige Einstellung des Verfahrens wegen - angeblicher - Abwesenheit des Betroffenen und die Anordnung der Ermittlung ihres Aufenthalts durch die Verwaltungsbehörde am 23. Mai 2003 herbeigeführt worden. Hintergrund dieser (vorläufigen) Einstellung war, dass die Bußgeldbehörde davon ausging, dass der Aufenthaltsort der Betroffenen nicht bekannt sei. Dieser konnte nämlich der Bußgeldbescheid vom 15. Mai 2003 zunächst an der im Bußgeldbescheid angegebenen Adresse nicht zugestellt werden. Dies lag daran, dass dort zwar die Straße, in der die Betroffene wohnt, zutreffend angegeben war, als Wohnort jedoch nicht richtigerweise "59379 Selm" sondern "59379 Schwerte". Der richtige Wohnort der Betroffenen war aber von Anfang an bekannt. An diesem ist dann auch am 30. Juni 2003 der Bußgeldbescheid zugestellt worden, dort ist die Betroffene auch durch das Amtsgericht zur Hauptverhandlung geladen worden.
Die von der Verwaltungsbehörde im Anschluss an die nicht mögliche Zustellung des Bußgeldbescheides in "59379 Schwerte" nach § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG verfügte vorläufige Einstellung des Verfahrens hat die Verfolgungsverjährung nicht unterbrochen. Es ist zwar in der Rechtsprechung anerkannt, dass es zur Unterbrechung der Verjährung nach § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG genügt, dass die vorläufige Einstellung des Verfahrens wegen nach der Aktenlage angenommener Abwesenheit des Betroffenen erfolgt ist und ein Irrtum über die tatsächliche Abwesenheit insoweit unschädlich ist (vgl. OLG Hamm VRS 51,217 f. und JMBl NW 1979, 273; BayObLG VRS 58, 389; OLG Köln VRS 54, 361 und VRS 57, 433; Weller in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 2. Aufl., § 33 Rn. 52). Voraussetzung ist, wie sich den angeführten Entscheidungen entnehmen lässt, jedoch dass sich die Behörde tatsächlich in einem Irrtum über den Aufenthaltsort des Betroffenen befindet, weil z.B. die Polizeibeamten den Wohnsitz des Betroffenen nicht richtig aufgenommen haben (vgl. OLG Köln VRS 534, 361). Dieser Irrtum muss nach Auffassung des Senats zudem unverschuldet sein. Denn die Bestimmungen über die Unterbrechung sind als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und loyal zu handhaben (vgl. BGHSt 28, 381 ff; Weller, a.a.O., § 33 Rn. 6 m.w.N., OLG Ka...