Leitsatz (amtlich)

Ein Verweisungsbeschluss kann nicht bindend sein, wenn er auf einer nicht mehr vertretbaren, unrichtigen Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen beruht, entgegenstehenden Parteivortrag und auch dem Ergebnis der Auslegung entgegenstehende gesetzliche Formulierungen nicht berücksichtigt.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, §§ 38, 281; BGB § 631

 

Tenor

Zuständig ist das LG E.

 

Gründe

I. Die Klägerin, eine in das Handelsregister eingetragene GmbH & Co. KG mit Sitz in E, nimmt die Beklagte, eine GmbH mit Sitz in C, in der Hauptsache auf Zahlung von 9.282 EUR in Anspruch. Sie hat vor dem LG E Klage erhoben, der Folgendes zugrundeliegt:

Die Beklagte beauftragte die Klägerin am 15.04.2015 durch Unterzeichnung eines Angebots der Klägerin mit Programmierungsarbeiten. In dem Angebot heißt es unter anderem:

"Hiermit beauftrage ich die × GmbH & Co. KG mit der Durchführung der o.g. Dienstleistungen auf Basis der AGB der × GmbH & Co. KG (...)." (Bl. 15 der Akte).

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen heißt es in der Präambel:

"Die × GmbH & Co. KG (...) führt für seine Kunden Dienstleistungen (...) durch. Für diese Dienstleistungen gelten die nachfolgenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen."

Nach Ziff. 14 der AGB der Klägerin wird bei Zuständigkeit der LG als ausschließlicher Gerichtsstand das LG E vereinbart, wenn sowohl die × GmbH & Co. KG als auch der Kunde Kaufmann sind. Wegen der weiteren Einzelheiten der AGB wird auf Bl. 9 ff. der Akte verwiesen.

Die Beklagte hat die Zuständigkeit des LG E gerügt und geltend gemacht, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien ausweislich der Präambel nur auf Dienstleistungen anwendbar. Vorliegend sei jedoch ein Werkvertrag geschlossen worden. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 26.02.2016 darauf hingewiesen, dass ausweislich des Vertragstexts "Dienstleistungen" beauftragt worden seien und zudem gem. § 631 Abs. 2 BGB auch ein durch Dienstleistung herbeizuführender Erfolg Gegenstand des Werkvertrags sein könne.

Durch Beschluss vom 09.03.2016 hat das LG E sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das LG C verwiesen, das gem. § 17 ZPO örtlich zuständig sei. Die Gerichtsstandsklausel sei nicht einschlägig, denn sie regele eine vom Gesetz abweichende Zuständigkeit nur für den Fall, dass Dienstleistungen der Klägerin streitig seien. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei aber als Werkvertrag zu qualifizieren.

Das LG C hat sich seinerseits durch Beschluss vom 07.04.2016 für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung über Zuständigkeit vorgelegt. Es erachtet den Verweisungsbeschluss als willkürlich.

II.1. Das Oberlandesgericht Hamm ist gem. § 36 Abs. 1, Abs. 2 ZPO zu der Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit berufen. Das nächsthöhere Gericht über den LGen E und C ist der Bundesgerichtshof. Das LG E, das zuerst mit der Sache befasst war, liegt in seinem Bezirk.

2. Das LG E und das LG C haben sich durch die Beschlüsse vom 09.03.2016 und vom 07.04.2016 jeweils rechtskräftig im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für örtlich unzuständig erklärt.

3. Örtlich zuständig ist das LG E.

a) Das LG E ist gem. § 38 Abs. 1 ZPO i.V.m. Ziff. 14 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin örtlich zuständig.

aa) Die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsvereinbarung gem. § 38 Abs. 1 ZPO liegen vor. Die Parteien sind Kaufleute, die Klägerin jedenfalls gem. den §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB und die Beklagte gem. den §§ 6 Abs. 1 HGB, 13 Abs. 3 GmbHG.

bb) Die AGB sind nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin in den Vertrag zwischen den Parteien in den Vertrag einbezogen worden. Zweifel an der Wirksamkeit der Klausel bestehen nicht.

cc) Die AGB gelten entgegen der Ansicht des LG E auch für den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag. Ausweislich des von der Beklagten unterzeichneten Angebots der Klägerin hat die Beklagte Dienstleistungen auf der Basis der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin beauftragt, die die Klägerin erbringen sollte. Damit übereinstimmend ist in der Präambel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeführt, dass die Klägerin für ihre Kunden Dienstleistungen erbringt und für diese die nachfolgenden AGB gelten. Zweifel daran, dass die AGB für den in Frage stehenden Vertrag - unabhängig von dessen Qualifizierung als Dienst- oder Werkvertrag - Geltung hatten, können nach alldem nicht bestehen.

Zudem ist die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Präambel auch nicht auf Dienstverträge beschränkt. Zu Recht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass gem. § 631 Abs. 2 BGB Dienstleistungen im Rahmen eines Werkvertrags geschuldet sein können.

dd) Nach Ziff. 14 der AGB war unter Kaufleuten als ausschließlicher Gerichtsstand bei Zuständigkeit der LGe das LG E vereinbart. Die Parteien sind - wie dargelegt - Kaufleute. Die Zuständigkeit der LGe ist nach dem Streitwert gem. den §§ 71 Abs. 1, 23 GVG gegeben.

b) Die Zuständigkeit des LG C folgt auch nicht aus der Verweisung durch das LG...

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