Leitsatz (amtlich)

Im Fall des § 36 I Nr. 6 ZPO kann auch der Beklagte die Gerichtsstandbestimmung beantragen. Zur Frage der Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses, wenn das verweisende Gericht die Vereinbarung eines Erfüllungsortes in Allgemeinen Geschäftsbedingungen übersieht. Zu der Frage, ob das verweisende Gerichts seinen Verweisungsbeschluss aufheben kann, wenn das Gericht, an das verwiesen wurde, die Übernahme des Rechtsstreits ablehnt, weil es den Verweisungsbeschluss als nicht bindend ansieht.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, §§ 37, 281

 

Verfahrensgang

LG B

 

Tenor

Zuständig ist das LG B.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat vor dem LG N Klage erhoben, mit der sie zu beantragen beabsichtigt, den Beklagten zur Zahlung von 69.616,11 Euro nebst Zinsen und einer Kostenpauschale zu verurteilen.

Die Parteien sind Kaufleute. Die Klägerin, eine GmbH, hat ihren Sitz in S (LGbezirk N), der Beklagte ist in L (LGbezirk B) ansässig. Der Klage liegen Verträge über Küchenmontagen zugrunde, die der Beklagte für die Klägerin durchführen sollte. Die Klägerin verlangt aus einem Vertrag über ein Objekt "X" Rückzahlung der geleisteten Kaution. Aus einem Vertrag über ein Objekt "Y Bern/Schweiz" verlangt sie die Rückzahlung überzahlten Werklohns und Kostenerstattung wegen Selbstvornahme.

Nach dem Vortrag der Klägerin wurden in die Verträge deren "Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Einkauf" (AGB) einbezogen. In diesen - Anlage K 1, auf die insgesamt verwiesen wird - heißt es unter anderem:

9.2 Erfüllungsort für alle Ansprüche aus diesem Vertrag ist unser Firmensitz.

(...)

9.4 Als Gerichtsstand wird - soweit gesetzlich zulässig - unser Firmensitz vereinbart.

In der Klageschrift hat die Klägerin zur Begründung der Zuständigkeit auf Ziff. 9.4 der AGB hingewiesen. Sie hat die AGB insgesamt als Anlage beigefügt.

Der Beklagte hat in der Klageerwiderung die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt und Verweisung des Rechtsstreits an das LG B beantragt. Zuständig für die Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten aus den ihm erteilten Werkaufträgen sei das LG B als das Gericht des allgemeinen Gerichtsstands. Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung liege nicht vor.

Der Beklagte hat dazu die Existenz der mit der Klage vorgelegten klägerischen AGB zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestritten. Die AGB seien auch nicht in die Verträge einbezogen, insbesondere seien sie dem Beklagten weder vorgelegt worden noch sei in anderer Form auf sie verwiesen worden. Inhaltlich seien die AGB nach ihrem Titel und weiteren Inhalt jedenfalls bei der gebotenen Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB auch nur für den Einkauf der Klägerin, nicht auf Werkverträge anwendbar. Ziff. 9.4 der AGB sei im Übrigen unwirksam, da nach § 38 ZPO nur ein Gericht, nicht aber der - verlegbare - Firmensitz einer Vertragspartei als Gerichtsstand vereinbart werden könne. Sie sei zudem intransparent und überraschend.

Die Klägerin ist dem unter Darlegung im Einzelnen entgegengetreten. Sie hat insbesondere darauf hingewiesen, dass alle Bestellungen auf der ersten Seite den Hinweis enthalten hätten, dass der Auftrag "Unter Zugrundelegung unserer beiliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Einkauf" erteilt werde und auch in den AGB von "Lieferungen und Leistungen" die Rede sei, so dass diese unzweifelhaft auch für die Beauftragung der streitgegenständlichen Werkleistungen Geltung hätten. Sie hat behauptet, bereits bei dem ersten Vertragsverhältnis zwischen den Parteien seien die AGB mit gleichem Fax mit der Bestellung übersandt worden; die AGB seien dabei mit derselben Antragsnummer wie die Bestellung beschriftet worden und hätte nach ihrem Inhalt für weitere Bestellungen Geltung. Die streitgegenständliche Bestellung einschließlich der AGB vom 15.08.2014 sei dem Inhaber der Beklagten persönlich übergeben worden, die weitere Bestellung vom 04.12.2014 einschließlich der AGB per Fax. Sie hat Beweis dafür angetreten, dass die AGB wie geschildert einbezogen worden seien.

Das LG N hat Termin anberaumt, Zeugen zu dem Beweisthema Übergabe/Versand der AGB der Klägerin an den Beklagten geladen und die Parteien darauf hingewiesen, dass es bei vorläufiger Würdigung die Vereinbarung des Gerichtsstands am Firmensitz der Klägerin für wirksam halte und diese auch auf Werkverträge für anwendbar erachte.

Der Beklagte hat daraufhin seine Rechtsauffassungen vertieft und Terminabsetzung und Verweisung "beantragt". Er hat ergänzend unter Verweis auf eine Kommentierung aus dem Bauvertragsrecht und die Rechtsprechung des BGH zu Klauseln über Schönheitsreparaturen die Ansicht vertreten, der Zusatz "soweit gesetzlich zulässig" verstoße gegen das Verständlichkeitsgebot und führe zur Unwirksamkeit der Klausel. Auch das zuständige Gericht für die Einleitung eines Mahnverfahrens bleibe unklar.

Das LG N hat die Parteien nach Dezernentenwechsel durch Schreiben vom 14.03.2016 darauf hingewiesen, dass es Ziff. 9.4 der AGB der Klägerin gem. § 307 Abs. 1 BGB für unwirksam halte, wonach eine Klausel klar und verstän...

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