Leitsatz (amtlich)
Der allgemeine Gerichtsstand einer GmbH wird durch ihren (satzungsmäßigen) Sitz bestimmt. Ein Verweisungsbeschluss, der sich mit diesem Sitz nicht befasst, obwohl von Seiten der Parteien ausdrücklich auf den in der Satzung festgelegten Sitz hingewiesen wurde, kann unverbindlich sein. Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen nicht vor, wenn keines der am Zuständigkeitskonflikt beteiligten Gerichte zuständig ist. In diesem Fall kann ein - unverbindlicher - Verweisungsbeschluss aufzuheben und die Sache an das verweisende Gericht zurückzugeben sein, damit dieses über eine Verweisung erneut entscheiden kann.
Normenkette
ZPO §§ 17, 36 I Nr. 6
Tenor
Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts I vom 13.11.2018 wird aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht I zurückgegeben.
Gründe
I. Der Rechtsstreit liegt dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor.
Dem Rechtsstreit liegt - soweit für das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren von Belang - im Kern folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin - eine Agentur für Unternehmensfilme und Fotografie - nimmt die Beklagte vor dem Amtsgericht I für von ihr im Jahr 2018 erbrachte Leistungen ("Filmdokumentation Fachausbildung") aus Rechnungen vom 07.03.2018, 19.03.2018 und 26.04.2018 auf Zahlung von insgesamt 7.142,39 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Ausweislich des Handelsregisterauszuges des Amtsgerichts Münster, HRB 15395, hat die Beklagte ihren satzungsmäßigen Sitz in N (Landgerichtsbezirk N), ihre Geschäftsanschrift hingegen in N2 (Landgerichtsbezirk B). Dem Klageverfahren ist ein vor dem Amtsgericht I - Mahnabteilung - geführtes Mahnverfahren mit dem Aktenzeichen 18-2157570-0-3 vorausgegangen. Als Prozessgericht, an das im Falle des Widerspruchs das Verfahren abzugeben sei, hatte die Klägerin das Amtsgericht I benannt.
Nach erfolgtem Widerspruch gegen den Mahnbescheid hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 16.08.2018 u.a. beantragt, den Rechtsstreit mit Blick auf die Klagesumme und den Sitz der Beklagten "an das zuständige Landgericht N" zu verweisen.
Daraufhin hat das Amtsgericht I mit Verfügung vom 21.08.2018 darauf hingewiesen, dass es nur als zentrales Mahngericht zuständig gewesen sei und eine Zuständigkeit als Prozessgericht fehle, und zugleich angefragt, ob "von Klägerseite Verweisung an das zuständige Landgericht für N2 beantragt" werde.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 29.08.2018 hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass bereits Verweisung an das gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 ZPO zuständige Landgericht N beantragt worden sei. An diesem Verweisungsantrag halte sie fest. Denn der statuarische Sitz der Beklagten sei, wie aus dem überreichten HRB-Auszug ersichtlich, N. Überdies sei auf der Internetseite der Beklagten deren Anschrift T-Straße - ... in N angegeben und auch dort als Sitz N ausgewiesen.
Daraufhin hat das Amtsgericht I mit Verfügung vom 27.09.2018 "nochmals auf § 17 Abs. 1 S. 2 ZPO hingewiesen. Kl. mag Verweis an LG B beantragen."
Daraufhin hat die Klägerin Bezug nehmend auf den v.g. Hinweis mit Schriftsatz vom 11.10.2018 beantragt, den Rechtsstreit an das Landgericht B zu verweisen.
Sodann hat sich das Amtsgericht I mit Beschluss vom 13.11.2018 ohne nähere Begründung unter Bezugnahme auf die §§ 281, 3, 17, 29 ZPO für örtlich und sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht B verwiesen.
Mit Verfügung vom 05.12.2018 hat das Landgericht B die Parteien darauf hingewiesen, dass es die vom Amtsgericht I vorgenommene Verweisung für evident gesetzeswidrig und damit willkürlich und nichtig halte. Gemäß § 17 ZPO sei nur das Landgericht N zuständiges Gericht, weil dort die Beklagte ihren satzungsmäßigen Sitz habe. Der Umstand, dass der Geschäftsführer der Beklagten seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts B habe, ändere an der satzungsmäßigen Bestimmung des Geschäftssitzes nicht. Es sei daher beabsichtigt, den Rechtsstreit an das Amtsgericht I zurückzuverweisen, damit er von dort aus an das zuständige Gericht verwiesen werden könne.
Mit Schriftsatz vom 11.12.2018 hat sich die Klägerin der Rechtsauffassung des Landgerichts B angeschlossen.
Daraufhin hat das Landgericht B die Übernahme des Rechtsstreits mit Beschluss vom 02.01.2019 abgelehnt, sich für örtlich unzuständig erklärt und die Sache an das Amtsgericht I zurückverwiesen.
Das Amtsgericht I wiederum hat die Sache dem Oberlandesgericht Hamm zum Zwecke der Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 ZPO vorgelegt. Da der Handelsregisterauszug eine Anschrift im Bezirk des Landgerichts B aufweise, sei diese gemäß § 17 ZPO zuständig. Denn es komme nicht auf den statuarischen, sondern den effektiven Geschäftssitz an. Eine Tätigkeit der Beklagten in N sei jedoch nicht vorgebracht.
Der Senat hat die Parteien mit Verfügung vom 01.02.2019 angehört. Hierzu haben sie keine Stellungnahme abgegeben.
II. Die Voraussetzungen einer Bestimmung des Gerichtsstands gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen im Ergebnis nicht vor.
1. Da...