Leitsatz (amtlich)
Eine Handelsgesellschaft hat ihren allgemeinen Gerichtsstand (§ 17 Abs. 1 S. 1 ZPO) am durch die Satzung festgelegten und im Handelsregister verlautbarten Sitz. Unerheblich ist insoweit, ob die Gesellschaft am Ort ihres Sitzes noch einen Geschäftsbetrieb unterhält, so dass ihr ein Schriftstück zugestellt werden kann. Wird ein Rechtsstreit verbindlich an ein Gericht verwiesen, so kann ein Beschluss dieses Gerichts, mit dem es den Rechtsstreit an ein drittes Gericht weiterverweist unverbindlich sein, weil die zweite Verweisung die Bindungswirkung des ersten Verweisungsbeschlusses außer Acht lässt.
Normenkette
ZPO §§ 17, 36 I Nr. 6
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 7 O 291/18) |
Tenor
Örtlich zuständig ist das Landgericht Aachen.
Gründe
I. Der Rechtsstreit liegt dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor.
Dem Rechtsstreit liegt - soweit für das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren von Belang - im Kern folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger mit (Wohn-)Sitz in S (Landgerichtsbezirk Düsseldorf) nimmt die Beklagte mit Sitz in X (Landgerichtsbezirk Aachen) auf Zahlung von 29.260,00 EUR zzgl. Nebenforderungen für Lieferung und Montage von Aufzügen aus diversen Bauvorhaben (u.a. in Münster, Nordkirchen, Dortmund, Grevenbroich und Düsseldorf) in Anspruch.
Der Kläger hatte die mit Schriftsatz vom 07.05.2018 erhobene Klage zunächst beim Landgericht Bochum eingereicht und als ladungsfähige Anschrift der Beklagten "I-Straße, C" angegeben. Tatsächlich weist der Handelsregisterauszug als Sitz und Geschäftsanschrift der Beklagten mit Wirkung seit dem 21.06.2016 "T-Straße, X" aus (HRB 20496, Amtsgericht Aachen).
Nachdem die Zustellung der Klageschrift unter der klägerseits angegebenen Anschrift I-Straße in C unter Verweis darauf, dass der "Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" sei, gescheitert war, hat der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 18.07.2018 mitgeteilt, dass die Anschrift der Beklagten "nunmehr" T-Straße, X laute, und zugleich die Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Landgericht Aachen beantragt.
Mit Verfügung vom 24.07.2018 hat das Landgericht Bochum die Beklagte zu der beantragten Verweisung angehört. Die Zustellung der Verfügung scheiterte jedoch auch unter der Anschrift in X ("Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln").
Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 24.08.2018 hat der Kläger daraufhin um Zustellung der Klageschrift unter der Anschrift der Zweigniederlassung der Beklagten in K, O-Straße (Landgerichtsbezirk Mönchengladbach) sowie Verweisung an das "nunmehr zuständige Landgericht Mönchengladbach" beantragt.
Nach unter der Anschrift in K erfolgter Zustellung hat die Beklagte mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13.09.2018 mitgeteilt, dass sie mit der beabsichtigten Verweisung an das Landgericht Aachen einverstanden sei.
Daraufhin hat das Landgericht Bochum sich mit Beschluss vom 27.09.2018 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Aachen verwiesen.
Mit Verfügung vom 14.11.2018 hat das Landgericht Aachen seinerseits darauf hingewiesen, dass die erfolgte Verweisung problematisch und eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Aachen nicht gegeben sei, da die Klage in K, Landgerichtsbezirk Mönchengladbach zugestellt worden sei. Möglicherweise habe das Landgericht Bochum den (weiteren) Verweisungsantrag des Klägers an das Landgericht Mönchengladbach übersehen. Es werde deshalb eine Weiterverweisung erwogen. Beide Parteien haben sich daraufhin mit einer Weiterverweisung an das Landgericht Mönchengladbach einverstanden erklärt.
Mit Beschluss vom 29.11.2018 hat das Landgericht Aachen den Rechtsstreit sodann an das Landgericht Mönchengladbach weiterverwiesen unter Hinweis darauf, dass die Klage in K zugestellt worden sei.
Mit Verfügung vom 16.01.2019 hat das Landgericht Mönchengladbach darauf hingewiesen, dass es unzuständig, insbesondere an die Weiterverweisung durch das Landgericht Aachen nicht gebunden sei. Die Weiterverweisung sei nach dortiger Bewertung willkürlich gewesen, da das Landgericht Aachen gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 ZPO örtlich zuständig war bzw. sei. Die Verweisung durch das Landgericht Bochum sei dementsprechend für das Landgericht Aachen bindend gewesen. Es sei daher beabsichtigt, den Rechtsstreit dem Oberlandesgericht Hamm zum Zwecke der Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 ZPO vorzulegen.
Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 23.01.2019 den Standpunkt vertreten, dass die (Weiter-)Verweisung des Landgerichts Aachen an das Landgericht Mönchengladbach nunmehr für dieses gemäß § 281 ZPO bindend sei.
Das Landgericht Mönchengladbach hat daraufhin dem Oberlandesgericht Hamm die Sache mit Beschluss vom 14.02.2019 zum Zwecke der Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 ZPO vorgelegt. Da der Handelsregisterauszug als Sitz der Beklagen X aufweise, sei das Landgericht Aachen gemäß § 17 ZPO zuständig, insbesondere an...