Entscheidungsstichwort (Thema)
Unvollständiger Urteilsausspruch über die Entschädigung des freigesprochenen Angeklagten
Leitsatz (amtlich)
Sind in dem Urteilsausspruch über die Entschädigung des freigesprochenen Angeklagten weitere, entschädigungsfähige Strafverfolgungsmaßnahmen unberücksichtigt geblieben, ohne dass insoweit Hindernisse einer abschließenden Entschädigungsentscheidung im Urteil entgegenstehen, so ist die Geltendmachung einer weitergehenden Entschädigungspflicht durch Erhebung der sofortigen Beschwerde gegen die im Urteil enthaltene Entschädigungsentscheidung möglich.
Normenkette
StrEG §§ 2, 8 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bochum (Entscheidung vom 05.10.2012; Aktenzeichen II-1 KLS-34Js 1022/11-38/12) |
Tenor
1.
Der Beschwerdeführerin wird auf ihre Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gewährt.
2.
Die angefochtene Entscheidung über die Entschädigungspflicht nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) wird dahingehend ergänzt, dass die ehemalige Angeklagte auch für die von ihr erlittene Durchsuchungsmaßnahme vom 20. März 2012 aus der Landeskasse zu entschädigen ist.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin ist mit rechtskräftigem Urteil der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 5. Oktober 2012 von sämtlichen Anklagevorwürfen freigesprochen worden.
Im vorangegangenen Ermittlungsverfahren war die Beschwerdeführerin am 20. März 2012 in Untersuchungshaft genommen und ihre Wohnung am selben Tat durchsucht worden. Dabei wurden Wertgegenstände sichergestellt und Bargeld beschlagnahmt.
Im Tenor des am 5. Oktober 2012 in Anwesenheit der Beschwerdeführerin und ihres Verteidigers verkündeten Urteils hatte die Strafkammer nach § 8 Abs. 1 Satz 1 StrEG die Entschädigungspflicht nur für die erlittene Untersuchungshaft festgestellt. Eine Belehrung über das Rechtsmittel gegen diese Entscheidung erfolgte nicht.
Mit am 6. Februar 2013 bei dem Landgericht Bochum eingegangenem Schriftsatz ihres Verteidigers vom selben Tag beantragte die Beschwerdeführerin, die Entscheidung über die Entschädigungspflicht wegen der erlittenen Durchsuchungsmaßnahme nachzuholen. Mit weiterem Schriftsatz vom 23. April 2013 ließ die Beschwerdeführerin klarstellen, dass der Antrag vom 6. Februar 2013 hilfsweise als sofortige Beschwerde zu verstehen sei. Zudem sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Beschwerdefrist zu gewähren, da die Frist mangels Rechtsmittelbelehrung offenkundig unverschuldet versäumt worden sei.
Das Landgericht Bochum hat mit Beschluss vom 2. Mai 2013 eine eigene Entscheidung abgelehnt und die Sache dem Senat zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde vorgelegt. In den Gründen führt die Kammer aus, sie habe es im Urteil vom 5. Oktober 2012 lediglich versehentlich unterlassen, auch die Durchsuchungsmaßnahme in die Entscheidung zur Entschädigungspflicht aufzunehmen. Für eine nachträgliche Ergänzung der Entschädigungsentscheidung im Beschlusswege nach § 8 Abs. 1 S. 2 StrEG sei kein Raum.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat mit Zuschrift vom 28. Mai 2013 beantragt, wie beschlossen.
II.
Die (hilfsweise) erhobene sofortige Beschwerde ist statthaft und nach Wiedereinsetzung auch im Übrigen zulässig.
1.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 StrEG statthaft.
a)
Allerdings ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, auf welchem Wege der Entschädigungsberechtigte bei versehentlich unterbliebener oder unvollständiger Grundentscheidung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 StrEG seine Rechte verfolgen muss.
Die wohl überwiegende Ansicht will § 8 Abs. 1 Satz 1 StrEG entgegen dem Wortlaut auch auf diese Fälle anwenden, so dass der Entschädigungsberechtigte bei dem für die Entscheidung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 StrEG zuständigen Gericht eine Nachholung bzw. Ergänzung der Entscheidung beantragen könnte, ohne einer anderen Fristbindung als der Verjährung des Entschädigungsanspruchs zu unterliegen (KG v. 21.11.2008, 4 Ws 24/08, NStZ 2010, 284; OLG Stuttgart v. 24.04.2001, 2 Ws 61/01, Rn. 7, 11; OLG Düsseldorf v. 07.11.2000, 1 Ws 532/00, NStZ-RR 2001, 159 für den Fall, dass überhaupt nicht oder nicht über alle Strafverfolgungsmaßnahmen entschieden wurde; OLG München v. 13.09.1977, 1 Ws 988/77, [...], Rn. 4 ff.; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 8 StrEG, Rn. 7; Kunz, StrEG, 4. Aufl., § 8, Rn. 28 ff.; 48 ff.). Dagegen sei für das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 8 Abs. 3 Satz 1 StrEG kein Raum, weil das versehentliche vollständige oder teilweise Schweigen zur Entschädigungspflicht keine Versagung der Entschädigung bedeute (Meyer-Goßner, a.a.O.).
Die Gegenmeinung hält am Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 1 StrEG fest und verweist den Entschädigungsberechtigten auf das Verfahren der sofortigen Beschwerde
nach § 8 Abs. 3 Satz 1 StrEG (KG v. 10.03.2009, 2 Ws 9/08, [......