Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf. Strafaussetzung. Bestimmtheit. Therapieweisung
Leitsatz (amtlich)
1. Einer hinreichend bestimmten Therapieweisung muss entnommen werden können, ob der Antritt einer stationären oder einer ambulanten Therapie erwartet wird.
2. Darüber hinaus muss dort die konkrete Therapieeinrichtung bezeichnet werden.
Normenkette
StGB § 56f Abs. 1 Nr. 2, § 56c
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 100 StVK 3310/13 BEW) |
Tenor
- Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
- Die Anträge der Staatsanwaltschaft Münster, die Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen, bzw. die Bewährungszeit um ein Jahr zu verlängern, werden zurückgewiesen.
- Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Der drogensüchtige Beschwerdeführer wurde vom Amtsgericht Tecklenburg am 12. Dezember 2012, rechtskräftig seit dem 20. Dezember 2012, wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die Bewährungszeit wurde auf 4 Jahre festgesetzt. Ihm wurde unter anderem die folgende Weisung erteilt:
"Der Verurteilte hat eine Therapie zur Bekämpfung seiner Drogensucht anzutreten und diese nicht entgegen ärztlichen Rat zu beenden."
Zudem verurteilte ihn das Amtsgericht Tecklenburg mit Urteil vom 11. Dezember 2015, rechtsrkräftig seit dem 19. Dezember 2015, wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (in 2 Fällen) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Monaten, deren Vollstreckung abermals zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit wurde auf 4 Jahre festgesetzt. Weiterhin wurde ihm die folgende Weisung erteilt:
"Ihm wird die Weisung erteilt, sich weiterhin um die Aufnahme einer stationären Drogenentwöhnungstherapie nach besten Kräften zu bemühen, insbesondere insoweit mit der Suchtberatung zusammenzuarbeiten und bei entsprechender Kostenzusage die Therapie unverzüglich zu beginnen und nicht gegen den Rat der behandelnden Therapeuten abzubrechen."
Die im erstgenannten Verfahren ursprünglich am 19. Dezember 2016 endende Bewährungszeit wurde durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer Bielefeld vom 15. März 2016 wegen der der neuen Verurteilung vom 19. Dezember 2015 zugrunde liegenden Straftaten um ein Jahr verlängert.
Nachdem diverse Therapieversuche des Verurteilten bereits während der Entgiftungsversuche scheiterten, beantragte die Staatsanwaltschaft Münster unter dem 13. Dezember 2016 in dem erstgenannten Verfahren, "die Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen, da der Verurteilte gegen Auflagen gröblich und beharrlich verstoßen hat." Eine nähere Begründung enthielt der Antrag nicht. In dem letztgenannten Verfahren beantragte die Staatsanwaltschaft Münster unter dem 14. Dezember 2016, "die Bewährungszeit um 1 Jahr zu verlängern, weil er gröblich und beharrlich gegen eine Auflage aus dem Bewährungsbeschluss verstößt." Auch dieser Antrag enthielt keine nähere Begründung.
Mit Beschluss vom 19. Mai 2017 hat die Strafvollstreckungskammer beide Strafaussetzungen gemäß § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB widerrufen. In der Begründung heißt es, dass der Verurteilte mittlerweile beharrlich gegen die Weisung, eine Drogenentwöhnungsbehandlung aufzunehmen, bzw. sich darum zu bemühen, verstoße.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Auf den Verstoß gegen die Therapieweisungen kann der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nicht gestützt werden. Die mit Beschlüssen vom 12. Dezember 2012 und 11. Dezember 2015 jeweils vom Amtsgericht Tecklenburg erteilten Therapieweisungen sind nicht ausreichend bestimmt und daher unzulässig. Die Unzulässigkeit von Weisungen steht einem Widerruf der Strafaussetzung grundsätzlich entgegen (vgl. Fischer, StGB, ___ Auflage, § 56f, Rdnr. 10a). Bewährungsweisungen müssen klar, bestimmt und in ihrer Einhaltung überprüfbar sein. Nur so können Verstöße einwandfrei festgestellt werden (vgl. Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, StGB, 29. Auflage, § 11 m.w.N.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. Mai 2003 - 3 Ws 528/03 - NStZ-RR 2003, 199; OLG Naumburg, Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 Ws 78/10 - NStZ-RR 2010, 324; OLG Rostock, Beschluss vom 6. Dezember 2011 - I Ws 373/11 - BeckRS 2012, 02357).
Der Weisung des Amtsgerichts Tecklenburg vom 12. Dezember 2012 kann noch nicht einmal entnommen werden, ob von dem Verurteilten der Antritt einer stationären oder einer ambulanten Therapie erwartet wird. Selbst dem angefochtenen Beschluss kann dies nicht eindeutig entnommen werden. Lediglich der Gesamtzusammenhang der Beschlussgründe lässt darauf schließen, dass die Strafvollstreckungskammer insoweit von einer stationären Therapie ausgegangen ist. Dann aber hätte es sich um eine einwilligungsbedürftige Weisung im Sinne von § 56c Abs. 3 Nr. 1 StGB gehandelt. Ob eine solche Einwilligung vorgelegen hat, lässt sich weder dem Beschluss noch dem Urteil des Amtsgerichts Tecklenburg v...