Leitsatz (amtlich)
Nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte muss der Tatrichter dem Rechtsbeschwerdegericht in seinem Urteil die rechtliche Nachprüfung der Zuverlässigkeit der Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung ermöglichen. Hierzu gehört (nur) die Angabe des Messverfahrens und des berücksichtigten Toleranzwertes, soweit die Überzeugung des Tatrichters von der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf mit anerkannten Geräten in weithin standardisierten Verfahren gewonnenen Messergebnissen beruht.
Übersieht der Betroffene eine - auf Autobahnen häufig übliche - über die Breite mehrerer Fahrbahnen erstreckende hochgestellte Leuchtanzeige gehandelt hat, die flexibel die Geschwindigkeitsanzeige an die gegebenen Verkehrsverhältnisse anzupassen in der Lage ist, wird wegen der besonderen Auffälligkeit dieser Anzeige ein Augenblicksversagen in der Regel ausgeschlossen sein.
Verfahrensgang
AG Essen (Entscheidung vom 01.03.2005) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Essen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht Essen gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 45 km/h eine Geldbuße von 200,- EUR verhängt, jedoch von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen. Zur Sache hat das Amtsgericht Folgendes festgestellt:
"Der Betroffene befuhr am 03.10.2004 um 13.34 Uhr als Führer des PKW Toyota mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXX. in Essen die A40 in Fahrtrichtung Dortmund. In Höhe des Kilometers 66,105 beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit 80 km/h. Gleichwohl fuhr der Betroffene mit einer festgestellten Geschwindigkeit abzüglich der Toleranz von 125 km/h, so dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 45 km/h überschritten hatte."
Die getroffenen Feststellungen hat das Amtsgericht auf die geständige Einlassung des Betroffenen sowie das Fallprotokoll, das Messprotokoll, die festgestellten Schaltungen und den Eichschein vom 13.01.2004 (Bl. 8 - 11 d.A.) gestützt.
Zur Einlassung des Betroffenen hat das Amtsgericht Folgendes ausgeführt:
"Der Betroffene hat die Geschwindigkeitsüberschreitung eingeräumt. Er hat dazu ausgeführt, ca. 3 km vor der Messung sei die Geschwindigkeit auf 100 km/h begrenzt und hinter der Kurve (der Stelle der Messung) sei eine Geschwindigkeit von 100 oder sogar 120 km/h zulässig. Die Anzeige ca. 100 m vor der Messstelle habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h reduziert, wie er später festgestellt habe. Zur Vorfallszeit habe er dies jedoch nicht bemerkt und habe eine solche Reduzierung auch nicht vermutet, weil eine Begrenzung im fraglichen Bereich ihm nur zu Zeiten hohen Verkehrsaufkommens mit Stau- beziehungsweise Stautendenzen bekannt war. Am Tattage gegen 13.30 Uhr habe sich jedoch nur ein geringes Verkehrsaufkommen gegeben; die Begrenzung auf 80 km/h habe er übersehen, hätte er diese gesehen, hätte er seine Geschwindigkeit reduziert und wäre angepasst gefahren.
Er bitte von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen, weil er die Geschwindigkeitsbeschränkung nur übersehen habe und weil er wegen des Feiertages und des geringen Verkehrsaufkommens, insbesondere auch ohne LKW-Verkehr, nicht mit dieser Reduzierung gerechnet habe."
Zum Rechtsfolgenausspruch enthält das Urteil folgende Ausführungen:
"Auch das Gericht war der Auffassung, dass von der Festsetzung eines Fahrverbotes gem. § 25 StVG abgesehen werden konnte. Es konnte nicht festgestellt werden, dass es sich bei dem Verstoß des Betroffenen um einen groben oder beharrlichen Verkehrsverstoß gehandelt hat, sondern ihm ist nur einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen.
Das Gericht hat daher bei dem bislang unbelasteten Betroffenen von der Verhängung eines Fahrverbotes gem. § 25 StVG abgesehen und dafür die Geldbuße, die im Regelsatz 100,00 EUR beträgt, auf 200,00 EUR verdoppelt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 OWi i. V. m. 465 StPO."
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Essen, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Rechtsbeschwerde der örtlichen Staatsanwaltschaft unter ergänzenden Ausführungen beigetreten.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Essen.
Das angefochtene Urteil hält der materiell-rechtlichen Überprüfung nicht Stand.
Insoweit hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 07.07.2005 Folgendes ausgeführt:
"Das angefochtenen Urteil ist bereits deshalb auf die erhobene Sachrüge aufzuheben, weil die Feststellungen des Amtsgerichts zur Tat des Betroffenen lückenhaft sind und damit keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden.
Nach ständiger ...