Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrverbot. Verhängung. Anforderungen. Urteilsgründe
Leitsatz (amtlich)
Der Tatrichter hat im Rahmen der Verhängung des Fahrverbotes stets zu prüfen, ob außergewöhnliche Umständen vorliegen, die ausnahmsweise, insbesondere unter Beachtung des Übermaßverbotes, das Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen, was dann der Fall ist, wenn erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände vorliegen, die einen Ausnahmefall begründen.
Normenkette
BkatV § 4; StVG § 25
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Herne-Wanne zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Herne-Wanne hat den Betroffenen mit Urteil vom 10. September 2009 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 100,00 EUR verurteilt. Zudem hat es für die Dauer von einem Monat ein Fahrverbot angeordnet.
Das Amtsgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:
Am 07.05.2008 befuhr der Betroffene mit dem Pkw, amtliches Kennzeichen ..., Fabrikat Opel, um 8:32 Uhr in Herne die Röhlinghauser Straße Richtung Osten und überschritt dabei in Höhe Harkortstraße die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften um 38 km(h. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit wird im Bereich des genannten Begehungsortes durch ein kurz hinter der Einmündung Jägerstraße und damit ca. 100 m vor dem Begehungsort am rechten Straßenrand aufgestelltes gut sichtbares Geschwindigkeitsbegrenzungsschild , Zeichen 274.1, geregelt.
Bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte der Betroffene diese Geschwindigkeitsbegrenzung sowie den Umstand, dass seine Fahrgeschwindigkeit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht entsprach, erkennen können und müssen. Darauf hin hätte er sein Fahrverhalten entsprechend einstellen können und müssen.
Zu den Rechtsfolgen hat das Amtsgericht folgendes ausgeführt:
Gegen den Betroffenen war daher eine Geldbuße zu verhängen, die das Gericht in Höhe von 100,00 EUR für angemessen erachtet hat.
Gem. § 17 Abs. 1 OWiG sieht der Gesetzgeber hinsichtlich der Höhe der Geldbuße generell einen Rahmen von 5,00 EUR bis 1 000,00 EUR vor, bei lediglich fahrlässiger Begehungsweise gem. § 17 Abs. 2 OWiG demgegenüber einen solchen von 5,00 EUR bis 500,00 EUR. Da die Tat am 07.05.2008 begangen wurde, konnte der insoweit speziellere - höhere - Bußgeldrahmen des § 24 Abs. 2 StVG n.F. noch keine Anwendung finden.
Gem. § 17 Abs. 3 S. 1 OWiG sind Grundlagen der Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft. Die wirtschaftlichen Verhältnisse ( § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG ) waren demgegenüber nicht zu berücksichtigen, da hier lediglich eine sog. "geringfügige" Geldbuße i.S.v. § 17 Abs. 3 S. 2, letzter Hs. OWiG im Raume stand.
Der Bußgeldkatalog, der bei fahrlässiger Begehungsweise und gewöhnlichen Tatumständen ( § 1 Abs. 2 BkatV ) eine bindende Zumessungsrichtlinie bei der Bemessung der Geldbuße darstellt, sieht in Nr. 11.3.6 der Tabelle 1c) des Anhangs Nr. 11 bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 38 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße in Höhe von 100,00 EUR vor. Besondere Umstände, die zu einem Abweichen von diesem Regelbußgeld ausreichenden Anlass geboten hätten, waren nicht ersichtlich.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat wie erkannt beantragt.
II.
Der gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthaften und zulässigen Rechtsbeschwerde ist in der Sache ein wie aus dem Tenor ersichtlicher teilweiser und zumindest vorläufiger Erfolg nicht zu versagen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu folgendes ausgeführt:
Soweit sich die unbeschränkt erhobene Rechtsbeschwerde gegen die Verurteilung in der Sache wendet, ist sie indes unbegründet.
Die nicht näher ausgeführte Sachrüge deckt insoweit Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht auf. Die in sich widerspruchsfreien, nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßenden Feststellungen des Amtsgerichts tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Das Tatgericht hat die erforderlichen Feststellungen zu dem angewandten Messverfahren und dem vorgenommenen Toleranzabzug getroffen und sich ausführlich unter Hinzuziehung eines Sachverständigen mit der Frage der Ordnungsgemäßheit der Messung unter besonderer Berücksichtigung einer möglichen Knickstrahlreflektion als Fehlerquelle auseinandergesetzt. Darüber hinaus hat sich das Tatgericht - ebenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen - mit dem Vortrag des Angeklagten auseinandergesetzt, zur ...