Entscheidungsstichwort (Thema)
Eine Abgabe des Verfahrens an das Wohnsitzgericht des betroffenen Kindes nach § 46 Abs. 1 S. 1 FGG kommt nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe in Betracht, wenn eine Vormundschaft für ein Geschwisterkind bei einem nach § 36 Abs. 1 S. 2 FGG örtlich zuständigen Vormundschafts- oder Familiengericht anhängig ist
Leitsatz (amtlich)
Richtet sich die örtliche Zuständigkeit des Vormundschafts- oder FamG nach § 36 Abs. 1, S. 2 FGG, weil dort bereits eine Vormundschaft für ein Geschwisterkind anhängig ist, kommt eine Abgabe des Verfahrens durch das örtlich zuständige Gericht an das Wohnsitzgericht des betroffenen Kindes nach § 46 Abs. 1, S. 1 FGG nur dann in Betracht, wenn schwerwiegende Gründe vorliegen, die eine Durchbrechung der Zuständigkeitsregelung des § 36 Abs. 1, S. 2 FGG rechtfertigen.
Normenkette
FGG § 36 Abs. 1, § 36 S. 2, § 46 Abs. 1, § 46 S. 1
Verfahrensgang
AG Erkelenz (Aktenzeichen 18 F 184/06) |
AG Hamm (Aktenzeichen 33 F 257/06) |
Tenor
Das AG - FamG - Erkelenz bleibt für die Weiterführung des Verfahrens zuständig.
Eine Anfechtung der Entscheidung findet nicht statt.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 14.7.2006 hat das AG - FamG - Hamm ein Verfahren auf Entziehung der elterlichen Sorge für das am 9.8.2006 geborene Kind U gegen die Kindesmutter eingeleitet. Die im Gerichtsbezirk des AG Hamm ansässige Kindesmutter lebt derzeit von ihrem Ehemann U2 getrennt. Mutmaßlicher Vater von U ist der - ebenfalls in 12 wohnhafte - S. Erkenntnisse dazu, dass er die Vaterschaft für das Kind anerkannt hat, bestehen nach Aktenlage nicht. Aus der Ehe der Kindesmutter mit Herrn U2 sind 7 weitere noch minderjährige Kinder hervorgegangen. Hinsichtlich der Kinder E (geb. am 23.4.1994), K (geb. am 26.9.1995), L (geb. am 3.2.1998) und N (geb. am 22.5.1999) ist den Eltern die elterliche Sorge durch Beschluss des AG - FamG - Herne-Wanne vom 12.3.2002 (Az.: 3 F 243/01) entzogen worden. Die Vormundschaften für die Kinder werden beim AG Herne-Wanne geführt. Hinsichtlich der weiteren Kinder D (geb. am 4.3.2002) und B (geb. am 31.3.2004) sind vormundschaftliche Maßnahmen durch das AG - FamG - Münster getroffen worden. Hinsichtlich des jüngsten gemeinsamen Kindes der Eheleute, N2 (geb. am 8.9.2005) sind der Kindesmutter durch Beschluss des AG - FamG - Erkelenz vom 20.6.2006 (Az.: 18 F 165/05) Teilbereiche der elterlichen Sorge, dem Kindesvater die elterliche Sorge insgesamt entzogen worden. Für N2 wurde das Jugendamt der Stadt I als Vormund und Ergänzungspfleger bestellt. Sowohl im Verfahren vor dem FamG Herne-Wanne, als auch im Verfahren vor dem FamG Erkelenz wurden umfangreiche psychologische Sachverständigengutachten eingeholt, die - zusammen mit dem Diagnosebericht des Kinderheims T aus N vom 6.4.2005 - Grundlage der Entscheidung des FamG vom 20.6.2006 waren.
Das AG FamG Hamm hat das Verfahren mit Beschluss vom 10.8.2006 unter Hinweis auf die dort anhängige Pflegschaft für das Kind N2 an das AG - FamG - Erkelenz abgegeben. Das AG Erkelenz hat, nach Anhörung aller Beteiligten, das AG - FamG - Hamm (unter Vorlage der Akten) mit Beschluss vom 31.8.2006 um Übernahme des Verfahrens nach § 46 Abs. 1, S. 1 FGG ersucht. Die sorgeberechtigte Kindesmutter hat der Abgabe mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 29.8.2006 zugestimmt. Das FamG Hamm hat die Übernahme abgelehnt und die Sache dem Senat zur Entscheidung nach § 46 Abs. 2 FGG vorgelegt.
II. Der Senat ist gemäß den §§ 621a Abs. 1 ZPO, 46 Abs. 2, S. 1, 2. Alternative und Abs. 3, 64 Abs. 3, S. 2 FGG als übergeordnetes Gericht desjenigen FamG zur Entscheidung berufen, an welches das Verfahren abgegeben werden soll, weil beide Gerichte übereinstimmend von einer örtlichen Zuständigkeit des AG - FamG - Erkelenz nach § 36 Abs. 1, S. 2 FGG ausgehen und sich nicht über die Übernahme des beim FamG Erkelenz anhängigen Verfahrens auf Entzug der elterlichen Sorge durch das FamG Hamm einigen können.
Bei dem Gegenstand des anhängigen Verfahrens nach § 1666 Abs. 1 BGB handelt es sich um eine Einzelverrichtung i.S.d. §§ 43 Abs. 1, 46 Abs. 3 FGG auf die die Vorschrift des § 46 Abs. 1 FGG anwendbar ist (vgl. BayObLG FamRZ 2000, 245 f.), wonach das Verfahren an ein anderes, an sich örtlich unzuständiges, FamG abgegeben werden kann, wenn wichtige Gründe vorliegen, die die Übernahme rechtfertigen und sowohl das übernehmende Gericht, als auch der Vormund - bei Bestehen der elterlichen Sorge, der sorgeberechtigte Elternteil (vgl. Bay ObLG FamRZ 2000, a.a.O.) - der Übernahme zustimmen. Daran fehlt es, nachdem das FamG Hamm die Übernahme des Verfahrens durch Verfügung vom 5.9.2006 abgelehnt hat.
Der Senat sieht von einer Ersetzung der fehlenden Zustimmung des FamG Hamm nach § 46 Abs. 2 FGG ab, denn es liegen keine wichtigen Gründe vor, die eine Übernahme durch das FamG Hamm rechtfertigen. Ein wichtiger Grund liegt dann vor, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Kindeswohls zweckmäßig erscheint, dass nicht das örtlich zuständige, sondern das um Übernahm...