Leitsatz (amtlich)

Bei Ausgleichswerten unterhalb der Gerichtfügigkeitsgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG ist es nicht geboten, bei beiderseitigem treuwidrigen Verschweigen von Versorgungsanrechten allein wegen der auszugleichenden Rechte den Versorgungsausgleich gem. § 27 VersAusglG zu korrigieren.

 

Normenkette

VersAusglG § 27

 

Verfahrensgang

AG Schwelm (Aktenzeichen 34 F 1/12)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.280 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die beteiligten Eheleute haben am ... die Ehe geschlossen. Der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 19.4.2012 zugestellt.

Das Familiengericht hat mit am 26.3.2013 erlassenen Beschluss die Ehe der beteiligten Eheleute geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Wegen der Einzelheiten des durchgeführten Versorgungsausgleichs wird auf den Beschluss des Familiengerichts Bezug genommen.

Gegen den am 19.4.2013 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer am 29.4.2013 eingegangenen Beschwerde. Mit dieser erstrebt sie, den Versorgungsausgleich insgesamt aufzuheben. Zur Begründung verweist sie auf eine Lebensversicherung des Antragstellers bei der B Lebensversicherungs-AG mit der Nr. ..., die bei der Entscheidung über den Versorgungsausgleich nicht berücksichtigt worden ist.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Die Lebensversicherung habe er in der Zwischenzeit gekündigt. Es habe sich um eine Versicherung gehandelt mit dem Wahlrecht, gegebenenfalls eine monatliche laufende Rente zu beziehen. Dieses Wahlrecht sei von ihm zu keiner Zeit ausgeübt worden. Mithin habe die Versicherung nicht dem Versorgungsausgleich unterlegen.

Mit Auskunft vom 25.6.2013, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die B Lebensversicherungs-AG mitgeteilt, dass der Ehezeitanteil dieser Versicherung 7.354,41 EUR betragen habe. Der (fiktive) Ausgleichswert betrage 3.677,21 EUR.

Auch die Antragsgegnerin verfügte bei der B Lebensversicherungs-AG über eine "RiesterRente" unter der Versicherungsnummer ..., die ebenfalls beim durchgeführten Versorgungsausgleich nicht berücksichtigt worden ist. Beginn dieser Versicherung war der 1.1.2002. Sie wurde am 1.3.2012 gekündigt. Der Rückkaufswert einschließlich Überschussbeteiligung betrug 5.024,66 EUR. An die Antragsgegnerin wurde aber nur ein Betrag von 1.313,66 EUR ausgezahlt, da Altersvorsorgezulagen i.H.v. 3.711 EUR einbehalten wurden.

II. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist hinsichtlich des Anrechts des Antragstellers bei der B Lebensversicherungs-AG nicht der Versorgungsausgleich durchzuführen. Auch eine Korrektur des Versorgungsausgleichs gem. § 27 VersAusglG kommt nicht in Betracht.

1. Die ehemalige Versicherung des Antragstellers bei der B Lebensversicherungs-AG (Vers.-Nr. ...) unterfiel zwar dem Versorgungsausgleich. Entgegen der Ansicht des Antragstellers handelte es sich bei dieser Versicherung nicht um eine Kapitallebensversicherung mit Rentenwahlrecht. Vielmehr ergibt sich aus dem von der Antragsgegnerin eingereichten Versicherungsschein, dass es sich um eine Rentenversicherung gehandelt hat. Bei dieser Rentenversicherung gab es nur ein Kapitalwahlrecht, das der Antragsteller zu den Stichtagen nicht ausgeübt hatte. Der Antragsteller hat zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt erst nach dem Endstichtag diese Versicherung an sich auszahlen lassen.

Diese Versicherung kann nicht mehr gem. § 10 VersAusglG durch interne Teilung ausgeglichen werden. Zum Entscheidungszeitpunkt ist diese Versorgung nicht mehr existent. Daran ändert auch § 29 VersAusglG nichts, da die Kündigung des Antragstellers gleichwohl wirksam ist.

2. Die aufgelöste Versorgung des Antragstellers ist auch nicht gem. § 27 VersAusglG zu berücksichtigen.

a) Gemäß § 27 S. 1 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nach § 27 S. 2 VersAusglG der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen. Der Versorgungsausgleich ist dabei grob unbillig, wenn seine Durchführung unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falls dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widersprechen würde (BGH FamRZ 2005, 1238 noch zum alten Recht; OLG Brandenburg Beschl. v. 22.9.2012 - 9 UF 98/10 Rz. 5 - juris). Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Ehepartner in Bezug auf seine Versorgungsanrechte treuwidrig handelt. In Betracht kommt etwa die Kündigung privater Versorgungsverträge in der Absicht, sie dem Versorgungsausgleich zu entziehen (BT-Drucks. 16/10144, 68; jurisPK/BGB/Breuers, 4. Aufl. 2008, § 27 VersAusglG Rz. 31; OLG Brandenburg, a.a.O.). Der Versorgungsaus...

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