Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Ordnungsmittel gegen unentschuldigte Partei nach Verkündung des Urteils

 

Leitsatz (amtlich)

Gegen die ordnungsgemäß geladene, im Termin aber ausgebliebene und nicht ausreichend entschuldigte Partei darf ein Ordnungsmittel nach Verkündung des auf die mündliche Verhandlung ergangenen Urteils nicht mehr festgesetzt werden.

 

Verfahrensgang

LG Münster (Beschluss vom 03.11.2003; Aktenzeichen 10 O 314/03)

 

Tenor

Der vorbezeichnete Ordnungsstrafenbeschluss wird aufgehoben.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Beklagten richtet sich gegen die Festsetzung von Ordnungsgeld, das gegen sie verhängt worden ist, weil ihr gesetzlicher Vertreter trotz Anordnung seines persönlichen Erscheinens gem. § 141 Abs. 1 ZPO im Termin vor dem LG am 10.10.2003 ausgeblieben ist.

Das statthafte (§ 380 Abs. 3 ZPO analog) und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel ist begründet, denn die Festsetzung des Ordnungsmittels hält der Überprüfung, die das Beschwerdegericht auch hinsichtlich der Ermessensausübung der Vorinstanz in vollem Umfang vorzunehmen hat (vgl. Peters in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 141 Rz. 29; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 141 Rz. 15; OLG Hamm v. 14.5.1997 - 12 W 5/97, OLGReport Hamm 1997, 235 = MDR 1997, 1061; OLG Köln JurBüro 1976, 1112), nicht stand.

Zutreffend hat das LG die Beklagte selbst als Partei und nicht ihren persönlich geladenen gesetzlichen Vertreter als den richtigen Adressaten eines Ordnungsmittels angesehen. In dieser in Literatur und Rechtsprechung streitig behandelten Frage folgt der Senat der augenscheinlich überwiegenden Auffassung, dass das Ordnungsmittel gem. § 141 Abs. 3 ZPO allein gegen die Partei als Prozesssubjekt und nicht gegen ihren gesetzlichen Vertreter als den Informationsträger festzusetzen ist (so Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 141 Rz. 30; Stadler in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 141 Rz. 12; KG v. 30.10.1995 - 22 W 5906/95, KGReport Berlin 1996, 23 = GmbHR 1996, 210; LAG Hamm v. 25.1.1999 - 1 Ta 727/98, MDR 1999, 825). Die auf einem überholten Verständnis des § 141 Abs. 3 ZPO beruhende Gegenansicht von Hartung, JR 1925, 127; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 141 Rz. 34; Greger in Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 141 Rz. 14; OLG Nürnberg v. 28.3.2001 - 1 W 887/01, OLGReport Nürnberg 2001, 290 = MDR 2001, 954 überzeugt demgegenüber nicht.

In der Sache teilt der Senat grundsätzlich die Auffassung des LG, dass das persönliche Erscheinen der Parteien, soweit zur Güteverhandlung und/oder zur Sachaufklärung geboten, bei entsprechender Anordnung durch das Gericht nicht zur Disposition der Partei steht. Indes führt nicht jede diesbezügliche Nachlässigkeit oder gar Eigenmächtigkeit der Partei - ungeachtet ihrer prozessualen Konsequenzen - zur Sanktion durch Ordnungsmittel. Hier lagen die Voraussetzungen des Verhängung eines Ordnungsmittels bei fehlerfreier Ausübung des durch § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO eingeräumten Ermessens nicht vor. Für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes wegen des Ausbleibens der Partei im Termin ist neben dem Verschuldensgrad maßgebend, ob das Ausbleiben der gem. § 141 Abs. 1 ZPO ordnungsgemäß geladenen Partei die Sachverhaltsaufklärung erschwert oder verzögert. Nach der vom Senat geteilten, jedenfalls vor dem In-Kraft-Treten des Zivilprozessreformgesetzes v. 27.7.2001 überwiegenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung bezweckt das Ordnungsmittel nach § 141 Abs. 3 ZPO nicht eine Bestrafung wegen einer im Nichterscheinen liegenden Missachtung des Gerichts oder des Gesetzes, sondern die Verfahrensförderung (vgl. OLG Hamm v. 14.5.1997 - 12 W 5/97, OLGReport Hamm 1997, 235 = MDR 1997, 1061 m.w.N.). Bei der Ausübung seines Ermessens muss daher das Gericht im Einzelfall von dem sich aus § 141 ZPO ergebenden Zweck, eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts zu erleichtern und zu beschleunigen, ausgehen.

Daran hat sich entgegen der von Greger (Greger in Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 141 Rz. 12) vertretenen Auffassung durch das Zivilprozessreformgesetz v. 27.7.2001 nichts geändert. Zwar hat das Gericht nunmehr noch stärker als bisher gem. § 139 ZPO darauf hinzuwirken, dass sich der Rechtsstreit auf die wesentlichen Fragen konzentriert, und ist dabei nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Ausweitung der Pflicht zur materiellen Prozessleitung stärker als bisher in die Klärung des Streitstoffes eingeschaltet. Will oder kann eine Partei aber im Termin zur Sachverhaltsaufklärung nichts beitragen, ist jedoch der Rechtsstreit ungeachtet ihres prozessualen Verhaltens entscheidungsreif, so ist das mit der Anordnung nach § 141 ZPO verfolgte Ziel erreicht, ohne dass noch Raum für die Verhängung eines Ordnungsgeldes gem. § 141 Abs. 3 ZPO bleibt. Insoweit folgt der Senat der Auffassung des LAG Niedersachsen in dessen Beschluss vom 7.8.2002 (LAG Nds., Beschl. v. 7.8.2002 - 10 Ta 306/02, LAGReport 2003, 157 = MDR 2002, 1333).

Bei Anlegen dieses Maßstabes hätte die Kammer das Ordnungsgeld nicht festsetzen dürfen, selbst wenn die Beklagte das Ausbleiben ihres i.S....

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