Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgeld gegen nicht erschienene Partei darf nicht ausschließlich Strafcharakter haben
Verfahrensgang
LG Bonn (Beschluss vom 02.07.2003; Aktenzeichen 9 O 136/03) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Ordnungsgeldbeschluss der 9. Zivilkammer des LG Bonn vom 2.7.2003 - 9 O 137/03 - aufgehoben
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der beklagten Versicherung die Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Kapitallebensversicherung. Die Parteien streiten darum, ob der Klägerin als Alleinerbin des verstorbenen Versicherungsnehmers der Anspruch auf Auszahlung zusteht oder ob dem ein vom Versicherungsnehmer verfügtes Bezugsrecht entgegensteht.
Zu dem auf den 2.7.2003 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung hatte das LG das persönliche Erscheinen der Klägerin und "eines besonders bevollmächtigten, sachorientierten Vertreters der Beklagten" angeordnet. Den Termin konnte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht wahrnehmen, weil er im Stau stecken geblieben war. Für die Beklagte war sonst niemand erschienen. Antragsgemäß erging gegen die Beklagte ein Versäumnisurteil; ferner wurde gegen sie wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Termin ein Ordnungsgeld i.H.v. 300 Euro verhängt.
Unter dem 14.7.2003 beantragte die Beklagte die Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses vom 2.7.2003 und legte zugleich gegen den Beschluss sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung trug sie vor, zur Wahrnehmung des Termins am 2.7.2003 habe sie ihrem Prozessbevollmächtigten unter dem 17.6.2003 eine Vollmacht gem. § 141 Abs. 3 ZPO erteilt; Rechtsanwalt N., der für sie im Termin habe auftreten sollen, sei zur Aufklärung des Sachverhalts imstande und zu einem Vergleichsabschluss ermächtigt gewesen. Nur weil Rechtsanwalt N. zu dem Termin nicht erschienen sei, sei sie nicht vertreten gewesen. Im Übrigen sei es wegen dessen Fernbleibens zu einer Verhandlung nicht gekommen, so dass die gleichwohl erfolgte Verhängung eines Ordnungsgeldes den Anschein einer Ungehorsamsstrafe habe.
Das LG hat den Aufhebungsantrag mit Beschluss vom 28.7.2003 zurückgewiesen und der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss vom 2.7.2003 nicht abgeholfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es spiele keine Rolle, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten am 2.7.2003 nicht erschienen sei, weil die Beklagte ohnehin nicht vorgehabt habe, den Termin wahrzunehmen. Die Entsendung eines Vertreters sei nur dann ausreichend, wenn dieser zur Sachaufklärung fähig sei. Vertreter könne zwar grundsätzlich auch der umfassend informierte Prozessbevollmächtigte sein; sein Wissensstand entspreche jedoch regelmäßig nicht dem der Partei, wenn er nur in seiner Eigenschaft als Prozessvertreter mit dem Verfahrensgegenstand in Berührung gekommen sei. Insoweit reiche die pauschale Behauptung der Beklagten, Rechtsanwalt N. sei zu einer Sachaufklärung in der Lage gewesen, nicht aus. Es sei auch nicht ermessensfehlerhaft, ein Ordnungsgeld gegen die Beklagte zu verhängen, obwohl in dem Termin am 2.7.2003 ein Versäumnisurteil ergangen sei. Die Sanktion des Ordnungsgeldes sei aufgrund der durch das Zivilprozessrechtsreformgesetz gestärkten materiellen Prozessleitung vielmehr verstärkt auch dann auszusprechen, wenn es trotz Ausbleibens der Partei zu einer Entscheidung des Rechtsstreits komme.
II. Die in entsprechender Anwendung von § 380 Abs. 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
Die auf § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO gestützte Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen die beklagte Versicherung ist nicht gerechtfertigt.
Es ist bereits zweifelhaft, ob die formellen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gewahrt sind. Das LG hat weder das persönliche Erscheinen der Beklagten noch eines gesetzlichen Vertreters angeordnet, sondern das Erscheinen "eines besonders bevollmächtigten, sachorientierten Vertreters der Beklagten". Wer damit gemeint sein sollte, bleibt unklar. Es fehlt auch jede Angabe dazu, zu welchen Punkten die Kammer eine Aufklärung für erforderlich hielt; das ist zumindest dann unentbehrlich, wenn das Gericht den Vertreter nicht namentlich benennt, sondern die Auswahl der Partei überlässt. Ferner ist nicht ersichtlich, ob die Beklagte auf die Folgen des Ausbleibens in der Ladung hingewiesen worden ist (vgl. zu alldem bereits OLG Köln, Beschl. v. 21.7.2003 - 5 W 75/03).
Jedenfalls aber ist die Verhängung eines Ordnungsgeldes im vorliegenden Fall ermessensfehlerhaft. Das Ordnungsgeld durfte bereits deswegen nicht festgesetzt werden, weil im Termin am 2.7.2003, zu dem für die Beklagte niemand erschienen war, ein Versäumnisurteil ergangen ist. § 141 ZPO verfolgt vorrangig den Zweck, eine Aufklärung des Sachverhalts zu erleichtern und das Verfahren zu fördern (vgl. OLG Hamm OLGReport Hamm 1997, 235 [236]). Erscheint der Prozessbevollmächtigte einer auch persönlich geladenen Partei - sei es bewusst oder infolge unvorhergesehener Umstände - nicht mit der Folge, dass gegen sie ein Versäumnisurteil ergeht, ist...