Leitsatz (amtlich)
Nach § 1643 Abs. 2 S. 1 i. V. m. Abs. 1 BGB bedarf die für ein Kind erklärte Ausschlagung einer Erbschaft der Genehmigung des Familiengerichts. Das gilt nach § 1643 Abs. 2 S. 2 BGB jedoch nicht in den Fällen, in denen der Anfall der Erbschaft an das Kind erst infolge einer Ausschlagung eines sorgeberechtigten Elternteils eintritt und dieser Elternteil nicht neben dem Kind berufen war.
Ein Nettonachlasswert von ca. 1,5 Mio. Euro rechtfertigt nicht eine einschränkende Auslegung des § 1643 Abs. 2 S. 2 BGB. Die für eine teleologische Reduktion im Fall der Ausschlagung eines werthaltigen Nachlasses erforderliche unbeabsichtigte Unvollständigkeit des Gesetzes liegt nicht vor.
Es kann im Rahmen der gem. § 81 FamFG zu treffenden Kostenentscheidung der Billigkeit entsprechen, davon abzusehen die außergerichtlichen Kosten eines Beteiligten einem anderen Beteiligten aufzuerlegen, der sich lediglich die fehlerhafte Rechtsauffassung des Nachlassgerichts zu eigen gemacht hat.
Normenkette
BGB § 1643; FamFG § 81
Verfahrensgang
AG Lemgo (Aktenzeichen 12 VI 760/20) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 05.03.2021 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Lemgo vom 03.02.2021 dahingehend abgeändert, dass die Tatsachen, die zur Begründung des Erbscheinantrages des Beteiligten zu 1) vom 14.09.2020 erforderlich sind, für festgestellt erachtet werden.
Das Amtsgericht - Nachlassgericht - Lemgo wird angewiesen, dem Beteiligten zu 1) einen Erbschein mit dem Inhalt zu erteilen, dass der am 00.00.2018 verstorbene B. C., geboren am 00.00.0000 in D, jetzt E, von der Beteiligten zu 2) und Herrn G. C., geboren am 00.00.0000, jeweils zu 1/2 beerbt worden ist.
Die Gerichtsgebühren für den Erbscheinsantrag trägt der Beteiligte zu 1). Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beteiligten zu 3) auferlegt. Von der Anordnung einer Erstattung der außergerichtlichen Kosten wird abgesehen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 1.600.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit notariellem Testament vom 13.01.2017 (UR-Nr. 00/2017 des Notars H in F) setzte der in zweiter Ehe verheiratete Erblasser seine drei Kinder aus erster Ehe - I und G. C. sowie die Beteiligte zu 2) - als Erben zu gleichen Teilen ein, ersatzweise die leiblichen Abkömmlinge der Erben nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Zudem traf er Teilungsanordnungen, setzte Vermächtnisse aus und ordnete Auflagen hinsichtlich der Tilgung von Verbindlichkeiten sowie Testamentsvollstreckung an.
Der Erblasser setzte mit weiterem privatschriftlichem Testament vom 15.01.2017 den Beteiligten zu 1) zum Testamentsvollstrecker ein.
Der Sohn des Erblassers I. C. verstarb am 00.00.2018 und hinterließ seine Töchter J. C. und K geb. C, die Mutter der Beteiligten zu 3).
Nach Eintritt des Erbfalls am 16.12.2018 wurden die letztwilligen Verfügungen des Erblassers am 23.01.2019 eröffnet und mit Verfügung vom gleichen Tag bekannt gegeben. Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 28.02.2019 schlug die Mutter der Beteiligten zu 3) die Erbschaft nach dem Erblasser sowohl für sich als auch gemeinsam mit dem Vater der Beteiligten zu 3) auch für diese aus. Auch die kinderlose Enkelin des Erblassers J. C. schlug die Erbschaft mit notariell beglaubigter Erklärung vom 01.03.2019 aus.
Am 16.04.2019 erteilte das Amtsgericht - Nachlassgericht - Lemgo dem Beteiligten zu 1) antragsgemäß ein Testamentsvollstreckerzeugnis. Nachfolgend teilte der Beteiligte zu 1) zum Zwecke der Festsetzung des Geschäftswerts einen Wert des Nachlasses nach Abzug der Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 1,5 Mio. EUR mit.
In notarieller Urkunde vom 14.09.2020 beantragte der Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Erbscheins, nach dem der Erblasser von der Beteiligten zu 2) und seinem Sohn G. C. zu je 1/2 beerbt worden ist. Dabei ging der Beteiligte zu 1) von einer wirksamen Erbausschlagung durch sämtliche Abkömmlinge des vorverstorbenen I. C.aus.
Nachdem das Nachlassgericht Bedenken gegen die Wirksamkeit der für die Beteiligte zu 3) erklärten Erbausschlagung geäußert hatte, beantragte der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 06.10.2020 hilfsweise die Erteilung eines Erbscheins, der als Erben des Erblassers dessen Sohn G sowie die Beteiligten zu 2) und 3) ausweist.
Die Beteiligte zu 2) hat sich dem in der Hauptsache gestellten Erbscheinsantrag angeschlossen und die Ansicht vertreten, die für die Beteiligte zu 3) erklärte Ausschlagung sei wirksam, insbesondere bedürfe es nach § 1643 Abs. 2 S. 2 BGB keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung. Nach dieser Vorschrift sei die durch die Eltern erklärte Ausschlagung dann nicht genehmigungsbedürftig, wenn die Erbschaft dem Kind nur infolge der Ausschlagung eines zu diesem Zeitpunkt vertretungsberechtigten Elternteils angefallen sei. Dies gelte auch bei einer Werthaltigkeit des Nachlasses. Die gesetzlichen Vertreter der Beteiligten zu 3) seien bei Abgabe der Ausschlagungserklärung auch nicht von einer Über...