Leitsatz (amtlich)
Im Gegensatz zur früheren Rechtslage ist die Entscheidung über den Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG nicht (mehr) in das Ermessen des Gerichts gestellt. Das Gericht ist vielmehr verpflichtet, dem Entbindungsantrag zu entsprechen, wenn die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen.
Verfahrensgang
AG Essen (Entscheidung vom 23.06.2005) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Essen zurückverwiesen.
Gründe
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 24. August 2005 zu dem Rechtsmittel des Betroffenen Folgendes ausgeführt:
I.
Das Amtsgericht Essen hat mit Urteil vom 23.06.2005 den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid der Stadt Essen vom 06.04.2005, durch den eine Geldbuße in Höhe von 75,00 EUR wegen Verstoßes gegen §§ 3 Abs. 1, 1 Abs. 2 StVO festgesetzt worden war, gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen.
Dagegen wendet der Betroffene sich mit seiner Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt hat. Er rügt, dass das Amtsgericht sei seinem Entbindungsantrag nicht nachgekommen und den Einspruch in der Hauptverhandlung wegen seines unentschuldigten Ausbleibens verworfen habe.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, da es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Dieser Zulassungsgrund wird durch § 80 Abs. 2 OWiG nicht eingeschränkt (zu vgl. Göhler, OWiG, 13. Auflg., Rdn. 16 i zu § 80).
Die Verfahrensrüge des Betroffenen, mit der er die Gesetzwidrigkeit der Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG geltend macht und damit auch die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, entspricht den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 i.V.m. 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Bleibt der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung fern und wird daraufhin der Einspruch durch Urteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, so kann die Einspruchsverwerfung das Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzen, wenn einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen (§ 73 Abs. 2 OWiG) zu Unrecht nicht entsprochen worden ist (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 24.05.2004 - 2 Ss OWi 332/04 -; Göhler, a.a.O., Nr. 16 b zu § 80).
Die formgerecht mit der Verfahrensrüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und eines Verstoßes gegen § 73 Abs. 2, § 74 Abs. 2 OWiG erhobene Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg, weil durch das angefochtene Urteil der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt worden ist.
Das Amtsgericht hätte dem Entbindungsantrag stattgeben müssen. Nach § 73 Abs. 2 OWiG entbindet das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhaltes nicht erforderlich ist. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage ist die Entscheidung über den Entbindungsantrag nicht (mehr) in das Ermessen des Gerichts gestellt (zu vgl. BayObLG DAR 2001, 371). Das Gericht ist vielmehr verpflichtet, dem Entbindungsantrag zu entsprechen, wenn die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen.
Auf dieser Grundlage kann die Entscheidung des Amtsgerichts keinen Bestand haben. Mit Schriftsatz vom 22.06.2005 hatte der Verteidiger mitgeteilt, dass der Betroffene im Tatzeitpunkt Fahrer des Pkw BMW mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXXX gewesen war. Darüber hinaus hat er erklärt, dass der Betroffene im Hauptverhandlungstermin eine weitere Einlassung zur Sache nicht abgeben werde. Aufgrund dieser Angaben war klargestellt, dass von der persönlichen Anwesenheit des Betroffenen im Hauptverhandlungstermin keine weitergehende Aufklärung des Tatvorwurfs zu erwarten war. Die Aufklärung des Sachverhalts konnte ohne Schwierigkeiten durch die gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 OWiG zulässige Einführung der schriftlichen Erklärung des Betroffenen im Schriftsatz vom 23.06.2005 gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 OWiG erfolgen. Dem Verteidiger war zudem am 20.04.2005 auch eine Vertretungsvollmacht erteilt, so dass er Erklärungen für den Betroffenen abgeben konnte.
Schließlich beruht die angefochtene Entscheidung auf einem Verfahrensfehler, der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags des Betroffenen hat, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Essen zurückzuverweisen ist."
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.
Zwar hat der Betroffene den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht ausdrücklich mit der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs begründet, sondern mit dem gemäß § 80 Abs. 2 OWiG wegen der nicht über ...