Leitsatz (amtlich)
Die StPO räumt bei der Ablehnung eines Beweisantrages auf Vernehmung eines so genannten Auslandszeugen dem Gericht nur hinsichtlich des Ablehnungsgrundes eine Erleichterung ein. Das Verfahren der Ablehnung entspricht hingegen dem üblichen Verfahren für die Ablehnung von Beweisanträgen.
Verfahrensgang
LG Bochum (Entscheidung vom 30.09.2004) |
Tenor
Das Urteil des Landgerichts Bochum vom 30. September 2004 wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Bandendiebstahl zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Auf die Berufung des Angeklagten hat die Strafkammer das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen Beihilfe zum Diebstahl ebenfalls zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich nun noch die Revision des Angeklagten, mit der er die formelle und materielle Rüge erhoben hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
II.
Die Revision ist zulässig und hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - mit der formellen Rüge Erfolg.
1.
Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Das Amtsgericht ist in seinen tatsächlichen Feststelllungen davon ausgegangen, dass der Angeklagte vier anderen Polen, von denen ihm zwei persönlich bekannt waren, zu einem am 10. Mai 2002 begangenen Kaufhausdiebstahl Beihilfe geleistet hat. Der Angeklagte soll in die Pläne der anderen Polen eingeweiht gewesen sein; seine Mitwirkung war für das Verstauen und den Abtransport der Beute vorgesehen. Die Täter sind bei dem Diebstahl in dem Kaufhaus, bei dem der Angeklagte nicht anwesend war, von einem Kaufhausdetektiv beobachtet worden. Dieser hatte sie zu einem Pkw, der einem der anderen Polen gehörte, verfolgt und die Polizei herbeigerufen, die den Abtransport der Beute im Wert von rund 1.600 EUR verhindern konnte. An diesem Pkw wurde auch der Angeklagte angetroffen.
Der Angeklagte hat eine Beteiligung an dem Diebstahl bestritten und sich dahin gelassen, er sei nur zufällig am Ergreifungsort gewesen. Er sei zudem volltrunken gewesen. Das Landgericht hat diese Einlassung als widerlegt angesehen und den Angeklagten verurteilt.
In der Hauptverhandlung hatte der Verteidiger des Angeklagten einen Beweisantrag gestellt, in dem er die Vernehmung der vier namentlich benannten polnischen Täter als Zeugen beantragt hat. Diese sollten in Polen geladen werden. Die Zeugen sollten dazu vernommen werden, dass der Angeklagte von den Diebstahlsplanungen nichts wusste, nicht in diese Planungen eingeweiht war und von der Beute auch nichts haben wollte. Unter Beweis gestellt war weiterhin die Behauptung, dass der Angeklagte vor der Tat zwei Flaschen Cognac gekauft und überwiegend selbst ausgetrunken habe. Zudem sollten die Zeugen bekunden, dass der Angeklagte nicht beim Verpacken des Diebesgutes mitgewirkt habe, er bei anderen Diebstählen der Polen nicht beteiligt gewesen sein und er lediglich deshalb den Tag mit den anderen Polen verbracht habe, weil seine Ehefrau bis 21.00 Uhr habe arbeiten müssen.
Die Strafkammer hat diesen Beweisantrag abgelehnt und dies wie folgt begründet:
"Die Anträge zu Ziffer 1-3 und 5 werden zurückgewiesen, weil die Kammer nach pflichtgemäßem Ermessen die Aussage der Zeugen, deren Ladung im Ausland zu bewirken ist, zur Erforschung der Wahrheit nicht für erforderlich erachtet.
Es handelt sich um die Haupttäter und nach dem Anklagevorwurf Mittäter des Angeklagten, von denen eine wahrheitsgemäße Aussage nicht zu erwarten steht. § 244 V StPO erlaubt in einem solchen Fall eine vorweggenommene Beweiswürdigung. Die Begründung wird im Urteil näher ausgeführt werden."
2.
Die Revision rügt mit der im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausreichend begründeten Verfahrensrüge zu Recht einen Verstoß gegen § 244 Abs. 5 Satz 2, Abs. 6 StPO.
Zutreffend ist das Landgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Beweisantrag auf Vernehmung der im Ausland wohnenden und dort auch zu ladenden vier polnischen Zeugen nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO unter den gleichen Voraussetzungen wie der Antrag auf Einnahme eines Augenscheins abgelehnt werden konnte. Entscheidend ist danach, ob die Beweiserhebung nach pflichtgemäßem Ermessen des Tatrichters zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist oder nicht (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., 2004, § 244 Rn. 43 f; Herdegen in Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., 2003, § 244 Rn. 85, Herdegen NStZ 1998, 445 ff.). Nach allgemeiner Meinung ist bei der Ablehnung des Beweisantrages auf Vernehmung eines Auslandszeugen eine vorweggenommene Beweiswürdigung erlaubt und erforderlich (vgl. dazu grundlegend BGHSt 40, 60; BGH NJW 2002, 695; Meyer-Goßner, a.a.O., mit weiteren Nachweisen).