Leitsatz (amtlich)
Auch wenn der Auffahrende maßvoll die empfohlene Richtgeschwindigkeit überschreitet, verwirklicht sich die mit der Überschreitung der Richtgeschwindigkeit verbundene Gefahr des Ver- und Unterschätzens der Annäherungsgeschwindigkeit des rückwärtigen Verkehrs nicht, wenn der die Fahrstreifen Wechselnde den rückwärtigen Verkehr gar nicht beachtet.
Normenkette
StVG §§ 7, 17-18; StVO §§ 1, 3-4
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 19 O 252/15) |
Tenor
beabsichtigt der Senat, die Berufung der Beklagten gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, eine Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht der Fortbildung des Rechts oder der Einheitlichkeit der Rechtsprechung dient und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten erscheint.
Den Beklagten wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen gegeben.
Gründe
I. Die Parteien streiten wechselseitig um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 14.05.2015 gegen 16:32 Uhr auf der Bundesautobahn ... in Fahrtrichtung C in Höhe des Fahrkilometers 24,580 ereignete. Der Drittwiderbeklagte zu 2. fuhr den linken Fahrstreifen mit dem klägerischen PKW nutzend auf den PKW des Beklagten zu 1. auf, als dieser ohne verkehrsbedingten Anlass mit seinem PKW teilweise in den linken Fahrstreifen geriet.
Mit angefochtenem Urteil, auf dessen Tatbestand wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben und die (Dritt-)Widerklage des Beklagten zu 1) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zu, da nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme der Beklagte zu 1) plötzlich und ohne rechtzeitige und deutliche Ankündigung einen Fahrstreifenwechsel durchgeführt und damit schuldhaft gegen § 7 Abs. 5 S. 1, 2 StVO verstoßen habe.
Hinter diesen groben Verstoß trete nicht nur die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs, sondern auch eine etwaige unfallkausale Überschreitung der Richtgeschwindigkeit durch den Drittwiderbeklagten zu 2) zurück. Aus demselben Grund sei die (Dritt-)Widerklage des Beklagten zu 1) unbegründet.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Berücksichtigung einer Mitverursachungsquote von 25% zu Lasten des Klägers und der Drittwiderbeklagten erreichen wollen. Sie begehren also die teilweise Abweisung der Klage, soweit sie zur Zahlung von mehr als 5.729,41 EUR nebst Zinsen sowie anteiliger vorgerichtlicher Anwaltskosten verurteilt worden sind. Der Beklagte zu 1) verfolgt dementsprechend seine (Dritt-)Widerklage auf Verurteilung des Klägers und der Drittwiderbeklagten zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes (nicht unter 1.000 EUR) sowie auf Vorbehaltloserklärung der an ihn durch die Drittwiderbeklagte zu 3) erfolgten Zahlung in Höhe von 628,01 EUR weiter.
Die Beklagten sind der Ansicht, eine Mithaftung des Klägers in Höhe von 25 % ergebe sich aufgrund der erheblichen Überschreitung der Autobahnrichtgeschwindigkeit um 31 - 51 km/h durch den Drittwiderbeklagten zu 2.. Letzteres habe die Betriebsgefahr des klägerischen Kraftfahrzeugs so erhöht, dass ein Zurücktreten derselben hinter den Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1. nicht in Betracht komme, da der Nachweis, dass es auch bei Einhaltung der Autobahnrichtgeschwindigkeit zu dem Unfallgeschehen mit vergleichbar schweren Folgen gekommen wäre, nicht geführt sei und auch nicht geführt werden könne.
Der Kläger und die Drittwiderbeklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.
II. Nach § 513 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere - den Beklagten günstigere - Entscheidung rechtfertigen.
Solches zeigt die Berufungsbegründung nicht auf. Die Feststellungen und Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil sind vielmehr in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Ergebnis richtig.
Im Einzelnen:
1. Dem Kläger steht der erstinstanzlich ausgeurteilte Schadensersatzanspruch aus dem Verkehrsunfall vom 14.05.2015 gem. §§ 7, 17, 18 StVG, bezüglich der Beklagten zu 2. i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG in voller Höhe zu.
a. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Beklagten für die aus dem Unfallereignis resultierenden klägerischen Schäden nach einer Haftungsquote von 100 % alleine haften.
aa. Die Haftung des Klägers ist zwar nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, weil sich das Unfallereignis für den Kläger nicht als ein Ereignis höherer Gewalt dargestellt hat.
bb. Ob - wie die Beklagten meinen - wegen der von dem Drittwiderbeklagten zu 2. selbst eingeräumten Überschreitung der Autobahnrichtgeschwindigkeit gestütz...