Leitsatz (amtlich)
Die entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann geboten sein, wenn ein angerufenes und unzuständiges Gericht die Voraussetzungen einer Verweisung an ein Gericht verneint, bei dem ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand der Beklagten - im vorliegenden Fall gemäß §§ 29 ZPO, 92 II, 93 III Nr. 6 AktG - vorliegt bzw. vorliegen könnte. Die streitige Frage eines gemeinschaftlichen Gerichtsstands braucht dann im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nicht entschieden zu werden, wenn die Zuständigkeitsbestimmung zweckmäßigerweise auf die Bestimmung des Gerichts hinausläuft, bei dem der gemeinschaftliche Gerichtsstand vorliegen kann.
Normenkette
ZPO §§ 29, 36 Abs. 1 Nr. 3; AktG §§ 92-93
Verfahrensgang
LG Detmold (Aktenzeichen 6 O 10/16) |
Tenor
Zum örtlich zuständigen Gericht wird das LG C bestimmt.
Gründe
I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter für die E AG gegen die Beklagten Ansprüche aus den §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG geltend. Nach dem Vortrag des Klägers haben die Beklagten als Vorstandsmitglieder der Insolvenzschuldnerin nach deren Zahlungsunfähigkeit Zahlungen i.H.v. 1.020.186,92 Euro an Gläubiger der Insolvenzschuldnerin geleistet und sind zu der Rückzahlung dieses Betrags verpflichtet.
Die Insolvenzschuldnerin hatte ihren Sitz in I im Bezirk des LG C. Der Beklagte zu 1 hat seinen Wohnsitz in N, der Beklagte zu 2 hat seinen Wohnsitz in T im Bezirk des LG C. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben ihren Kanzleisitz in N.
Der Kläger hat vor dem LG E Klage erhoben. Das LG E hat auf seine fehlende Zuständigkeit hingewiesen. Der Kläger hat daraufhin Verweisung an das LG C beantragt, das gemäß § 29 ZPO zuständig sei, da die Klage auf die Verletzung von Pflichten der Beklagten als Vorstandsmitglieder gegründet sei und diese Pflichten am Sitz der Gesellschaft zu erfüllen gewesen seien. Hilfsweise hat der Kläger beantragt, den Gerichtsstand gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmen zu lassen. Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, ein Gerichtsstand gemäß § 29 ZPO sei nicht begründet, da es sich bei dem geltend gemachten Masseschmälerungsanspruch um einen Ersatzanspruch eigener Art handele, der nicht auf der vertragsgleich eingegangenen Organstellung fuße.
Das LG E hat den Antrag des Klägers auf Verweisung an das LG C zurückgewiesen und die Sache dem Oberlandesgericht Hamm zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt. Ein gemeinsamer Gerichtsstand der Beklagten sei nicht gegeben. Für die Ansprüche aus den §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG sei ein Erfüllungsort gemäß § 29 ZPO am Sitz der Gesellschaft nicht gegeben, da diese gesetzliche Ansprüche eigener Art seien.
Der Kläger hält an seiner Auffassung fest, Erfüllungsort sei C. Die Beklagten sind der Auffassung, zu bestimmen sei nach Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit das LG N, da dort der Beklagte zu 1 seinen allgemeinen Gerichtsstand habe und dort auch die Prozessbevollmächtigten beider Beklagten ihren Kanzleisitz hätten.
II.1. Das Oberlandesgericht Hamm ist gemäß § 36 Abs. 1, Abs. 2 ZPO für die Bestimmung der Zuständigkeit zuständig, da das nächsthöhere Gericht über den nach dem allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten zuständigen LGen C und N der Bundesgerichtshof wäre und das zuerst mit der Sache befasste LG E in seinem Bezirk liegt.
2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor. Danach wird der Gerichtsstand bestimmt, wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist.
a) Die Beklagten werden als Streitgenossen in Anspruch genommen. Sie würden nach dem Vortrag des Klägers als frühere Vorstandsmitglieder der Insolvenzschuldnerin für die behaupteten Rückzahlungsansprüche gemäß den §§ 93 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 AktG gesamtschuldnerisch haften (vgl. Koch in: Hüffer/Koch, Aktiengesetz, 12. Auflage 2016, § 93 AktG Rn. 57).
b) Die Beklagten haben keinen gemeinsamen allgemeinen Gerichtsstand. Der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten zu 1 liegt im Bezirk des LG N, der des Beklagten zu 2 im Bezirk des LG C.
Es ist auch nicht zweifelsfrei ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand feststellbar, der eine Gerichtsstandsbestimmung ausschlösse.
In Betracht kommt insoweit lediglich der Gerichtsstand des Erfüllungsorts (§ 29 ZPO) am Sitz der Gesellschaft in C. Ob für den geltend gemachten Anspruch aus den §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG ein Gerichtsstand gem. § 29 ZPO am Sitz der Gesellschaft begründet ist, wird unterschiedlich beurteilt (vgl. Koch in Hüffer/Koch, a.a.O. und Spindler in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Auflage 2014, § 93 AktG Rn. 337 einerseits, Haas in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Auflage 2013, § 64 GmbHG andererseits).
Welcher Auffassung zu folgen ist, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn auch dann, wenn ein geme...