Leitsatz (amtlich)

Ist bei der Bestellung des Nachlasspflegers die Feststellung unterblieben, dass die Nachlasspflegschaft berufsmäßig geführt wird, kann sich im Einzelfall ein Vergütungsanspruch aus § 1836 Abs. 2 BGB (i.V.m. § 1915 I 1 BGB) ergeben.

Auf den Vergütungsanspruch nach § 1836 Abs. 2 BGB (i.V.m. § 1915 I 1 BGB) ist die Vorschrift des § 2 VBVG nicht anwendbar.

 

Normenkette

BGB §§ 1836, 1915 I 2; VBVG § 2

 

Verfahrensgang

AG Iserlohn (Aktenzeichen VI 285/2002)

 

Tenor

Unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde wird der angefochtene Beschluss teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Zugunsten des Rechtsvorgängers der Beteiligten zu 1) wird eine Nachlasspflegervergütung für den Zeitraum vom 03.07.2002 bis zum 29.09.2016 in Höhe von insgesamt 90.000 EUR gegen den Nachlass festgesetzt.

Der weitergehende Antrag bleibt zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht - Nachlassgericht - zugunsten der Rechtsnachfolgerin des am ...09.2016 verstorbenen Nachlasspflegers (Beteiligte zu 1)) eine Vergütung in Höhe von 7.480 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Vergütungsanspruch aus § 1836 Abs. 2 BGB folge, aber nur der Zeitraum vom 27.07.2015 (15 Monate vor Eingang des Vergütungsantrages bei Gericht am 27.10.2016) bis zum 29.09.2016 berücksichtigt werden könne. Für den Zeitraum vom 03.07.2002 (Tag der Verpflichtung des Nachlasspflegers) bis zum 26.07.2015 sei der Vergütungsanspruch wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung nach § 2 VBVG erloschen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beteiligte zu 1) mit ihrer Beschwerde; sie verfolgt den Anspruch auf Zahlung der vollen Vergütung in Höhe von insgesamt 279.153,44 EUR weiter. Sie macht insbesondere geltend, der Nachlasspfleger habe mit dem damals zuständigen Rechtspfleger vereinbart, dass die Führung der Nachlasspflegschaft auf beruflicher Basis erfolge. Zudem habe der Nachlasspfleger mit dem Rechtspfleger vereinbart, dass die Abrechnung der Vergütung erst am Ende des Verfahrens erfolgen solle. Schließlich widerspreche es Treu und Glauben (§ 242 BGB), falls der Nachlasspfleger hier für seine über Jahre hinweg erfolgten Tätigkeiten im Wesentlichen nicht vergütet werde.

II. Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

Unbegründet ist die Beschwerde insoweit, als die Beteiligte zu 1) die Festsetzung einer Vergütung auf der Grundlage des § 1836 Abs. 1 BGB und zudem der Höhe nach auf der Grundlage der InsVV beansprucht.

Zunächst ist festzuhalten, dass nach der im Zeitpunkt der Bestellung des Nachlasspflegers (Juli 2002) geltenden Fassung des § 1836 Abs. 1 BGB der Anspruch auf einer Vergütung die bei der Bestellung vorzunehmende Feststellung der berufsmäßigen Amtsführung voraussetzte. Diese fehlt hier und lässt sich dem Bestellungsbeschluss auch nicht im Wege der Auslegung entnehmen. Allein die Bezeichnung des seinerzeit bestellten Nachlasspflegers als "Wirtschaftsingenieur" ist hierfür unzureichend. Weitere objektive, den Akten zu entnehmende Anhaltspunkte für eine berufsmäßig gewollte Bestellung sind nicht vorhanden. Nach dem Akteninhalt war die Lage des Nachlasses seinerzeit vielmehr weitestgehend unbekannt. Die Aktenlage lässt nicht einmal erkennen, ob die Bestellung auf der Grundlage von § 1960 BGB oder von § 1961 BGB vorgenommen worden ist.

Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf "Vereinbarungen" zwischen dem seinerzeit zuständigen Rechtspfleger und dem vormaligen Nachlasspfleger verweist, geht dies fehl. Der im gerichtlichen Verfahren festsetzbare Vergütungsanspruch des Nachlasspflegers kann immer nur der gesetzliche Anspruch sein. Dieser ist einer Vereinbarung nicht zugänglich (OLG Celle ZEV 2011, 647; Staudinger/Bienwald, BGB, 2014, § 1836 Rn. 234).

Auch der von der Beschwerde bemühte Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann hieran nichts ändern. Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 24.10.2012 - IV ZB 13/12 = ZEV 2013, 84 f.) der Anwendung von § 2 VBVG der Treueeinwand entgegenstehen, wenn das Gericht durch eine langfristige Abrechnungspraxis die Ursache dafür gesetzt hat, dass der Vergütungsberechtigte von einer periodischen Abrechnung Abstand genommen hat. Hierzu hat der Bundesgerichtshof, der über einen Vergütungsanspruch zu entscheiden hatte, der sich (jedenfalls ganz überwiegend) gegen die Staatskasse richtete, sinngemäß Folgendes ausgeführt: Zwar könne von einem berufsmäßigen Amtswalter die Kenntnis der Abrechnungsfristen erwartet werden, jedoch hindere dies im Einzelfall nicht die Annahme, dass es dem Schuldner nach Treu und Glauben verwehrt sei, sich auf eine Ausschlussfrist zu berufen, wenn er selbst den Gläubiger von der rechtzeitigen Geltendmachung abgehalten habe.

Diese Überlegungen lassen sich nicht ansatzweise auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen. Vorliegend soll das Nachlassgericht dem Nachlasspfleger nach dem Vortrag der Beteiligten zu 1) Vergütungen zugesagt haben, deren gesetzlichen Voraussetz...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge