Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückfallprognose. Tatleugnung
Leitsatz (amtlich)
Die Tatleugnung ist nicht zwingend ein prognostisch negatives Indiz, vielmehr kann sie vielfältige, auch prognostisch neutrale oder gar günstige, Ursachen haben.
Normenkette
StGB § 57; StPO § 454
Verfahrensgang
LG Detmold (Aktenzeichen 4 StVK 122/09) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Der Rest der durch Urteil des Amtsgericht Minden vom 04.04.2006 (25 Ls 21 Js 1155/05 - 14/06) verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten wird zur Bewährung ausgesetzt.
Der Verurteilte ist in dieser Sache sofort aus der Strafhaft zu entlassen.
Die Bewährungszeit dauert vier Jahre.
Der Verurteilte wird der Aufsicht und Leitung durch einen für seinen Wohnsitz zuständigen Bewährungshelfer unterstellt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Verurteilten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Die Belehrung über die Bedeutung der bedingten Entlassung wird dem Leiter der JVA E übertragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Minden hat den Beschwerdeführer mit Urteil vom 04.04.2006 wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Das Urteil wurde am 14.03.2007 rechtskräftig. Der 1957 geborene, bis dahin nicht vorbestrafte, Beschwerdeführer befand sich aufgrund einer aufgenommenen Selbständigkeit seit dem Jahre 2002 in finanziellen Schwierigkeiten. Im Jahre 2005 sollte er die eidesstattliche Versicherung abgeben. Er bat seine Mutter, mit der er zusammenlebt, um die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung notwendigen 6.800 Euro. Diese teilte ihm aber mit, dass sie so viel Geld nicht habe, worauf der Verurteilte sie schüttelte und schlug, um seine Geldforderung durchzusetzen.
Nach diesem Vorfall und einem Krankenhausaufenthalt kehrte die Mutter des Beschwerdeführers in die häusliche Gemeinschaft mit diesem zurück. Der Beschwerdeführer verlangte kurz darauf erneut Geld von ihr, was sie aber verweigerte. Daraufhin beschimpfte und beleidigte der Beschwerdeführer sie erneut und wurde im Rahmen einer mehrstündigen Auseinandersetzung auch gegen sie gewalttätig, um seine Geldforderung durchzusetzen. Als die Schwester des Beschwerdeführers dazu kam, griff er auch sie an und schubste sie. Als sie die Polizei rufen wollte, verhinderte er dies durch Gewalt und mit der Drohung, er würde sie und seine Mutter umbringen, wenn sie die Polizei riefe.
Der Verurteilte bestreitet die Taten bis heute. Mit seiner Mutter war er schon zum Zeitpunkt des amtsgerichtlichen Urteils wieder versöhnt und lebte mit dieser bis zu seinem Haftantritt am 15.01.2008, welcher nach seiner Festnahme wegen fehlender freiwilliger Stellung erfolgte, zusammen.
Zweidrittel der verhängten Strafe waren am 01.08.2009 verbüßt. Das Strafende ist auf den 15.05.2010 notiert.
Die Staatsanwaltschaft hat einer bedingten Entlassung widersprochen. Auch von Seiten der Leiterin der Justizvollzugsanstalt wurde eine bedingte Entlassung nicht befürwortet. Der Beschwerdeführer mache einen querulatorischen Eindruck, habe keinen Kontakt zu anderen Mitgefangen und verlasse zumeist seinen Haftraum nicht. Krankheitsbedingt arbeite er auch nicht. Soziale Kontakte habe er nur zur Mutter und Schwester. Bei der Mutter wolle er auch nach seiner Entlassung wieder Wohnung nehmen. Da die familiären Verhältnisse schwierig seien und die Schwester des Verurteilten vor diesem Angst habe und auch die Arbeitsmarktsituation für ihn schlecht sei, müsse die Rückfallgefahr als "unverhältnismäßig hoch" eingeschätzt werden.
Der Verurteilte sieht seine beruflichen Chancen trotz seiner gesundheitlichen Probleme günstiger. Er wolle auf Montage gehen.
Die Strafvollstreckungskammer hat mit dem angefochtenen Beschluss die bedingte Entlassung, in die der Verurteilte eingewilligt hat, abgelehnt, weil eine hinreichend günstige Legalprognose nicht gestellt werden könne. Der Verurteilte sei zwar nicht vorbestraft und als Erstverbüßer besonders haftempfindlich. Dennoch sei der Eindruck der JVA, dass eine hohe Rückfallgefahr bestehe zutreffend. Der Verurteilte habe sich mit der Tat nicht auseinandergesetzt und übernehme für diese keinerlei Verantwortung. Seine Verdienstmöglichkeiten seien schwierig. Auch wenn seine Mutter zu ihm halte, so bestehe die Gefahr, dass sich eine "von Gewalt gezeichnete Familiendynamik" bei Rückkehr in die gemeinsame Wohnung erneut entfalte.
Gegen den Beschluss hat der Verurteilte rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt. Der Senat hat ein Gutachten zur Rückfallgefahr durch den Sachverständigen S erstellen lassen und diesen am 22.09.2009 angehört. Der Beschwerdeführer selbst hat seine Vorführung zu dem genannten Termin verweigert.
II.
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten hat Erfolg.
Die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach § 57 Abs. 1 StG...