Leitsatz (amtlich)
Für die Insolvenzanfechtung einer Steuerzahlung des Schuldners an die Finanzbehörden durch den Insolvenzverwalter ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.
Normenkette
InsO § 129 ff.; GVG § 13
Verfahrensgang
LG Paderborn (Beschluss vom 07.11.2002; Aktenzeichen 4 O 579/00) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des beklagten Landes gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Paderborn vom 7.11.2002 wird zurückgewiesen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Streitwert von 1.049.174,72 Euro.
Gründe
A. Der Kläger wurde durch Beschluss vom 7.12.1999 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners Dr. K. bestellt. Der Schuldner betrieb seit 1969 in P. ein Büro für Anlagenberatung. Er vertrieb dort selbst aufgelegte Immobilienfonds und vermittelte den Erwerb von Beteiligungen und Anteilen. Seit 1994 wurde er von Anlegern auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Gegen ihn bestehen vollstreckbare Titel i.H.v. über 23 Mio. DM.
Der Kläger macht geltend, der Schuldner habe zwischen dem 30.7.1998 und dem 14.12.1998 beim Finanzamt P. Steuerschulden dadurch getilgt, dass er dem Finanzamt Provisionsansprüche i.H.v. insgesamt 5.225.205 DM abgetreten habe. Außerdem sei am 30.6.1999 eine Verrechnung mit Guthaben nach § 10d EStG i.H.v. 5.034.787 DM erfolgt. Der Kläger hat mit der vorliegenden Klage die insolvenzrechtliche Anfechtung sämtlicher Rechtshandlungen, die im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Begleichungen der Steuerschulden beim beklagten Land stehen und die dem beklagten Land Deckung bzw. Sicherung gewährt haben, erklärt. Er begehrt die Zahlung von 10.260.037 DM nebst Zinsen.
Das beklagte Land hat die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten gerügt. Es hat die Ansicht vertreten, die Anfechtung von Rechtshandlungen, die den streitgegenständlichen Steuerzahlungen zugrunde lagen, führe dazu, dass der Rechtsgrund für diese Zahlungen wegfalle. Die Erstattung der streitgegenständlichen Zahlungen richte sich daher nach § 37 Abs. 2 S. 1 AO. Eröffnet sei hiernach der Finanzgerichtsweg nach § 33 FGO. Denn der steuerrechtliche Erstattungsanspruch sei öffentlich-rechtlicher Natur. Gemäß § 218 Abs. 2 AO werde über einen Steuererstattungsanspruch durch Verwaltungsakt entschieden, einen sog. Abrechnungsbescheid. Gegen Abrechnungsbescheide könne nach § 347 AO Einspruch eingelegt werden, bliebe dieser erfolglos, sei gem. § 33 FGO der Finanzgerichtsweg eröffnet. Der Weg zu den ordentlichen Gerichten sei dagegen ausgeschlossen. Da der Kläger auch die Rückgewähr von Steuerguthaben begehre, die mit den Steuerschulden des Schuldners verrechnet wurden, ginge es außerdem um eine Aufrechnung, für die im Steuerschuldverhältnis § 226 AO zu beachten sei. Um eine eventuelle Unwirksamkeit dieser Aufrechnung zu klären, müsse Einspruch bei der Finanzbehörde eingelegt und ggf. Klage vor dem Finanzgericht erhoben werden.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das LG entschieden, dass zur Entscheidung über den Rechtsstreit der ordentliche Rechtsweg eröffnet sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klageanspruch auf §§ 129 ff. InsO gestützt werde und somit zivilrechtlicher Natur sei. Es hat sich dabei vor allem auf eine Entscheidung des BGH vom 7.5.1991 (BGH v. 7.5.1991 – IX ZR 30/90, BGHZ 114, 315 = MDR 1991, 860) gestützt, nach der ein konkursrechtlicher Anfechtungsanspruch als bürgerlich-rechtliche Rechtsstreitigkeit vor den ordentlichen Gerichten auch dann zu führen sei, wenn darüber zu befinden sei, ob die öffentliche Hand durch eine nach § 30 KO anfechtbare Handlung Sicherung oder Befriedigung erlangt habe. Hieran sei auch nach In-Kraft-Treten der Insolvenzordnung festzuhalten. Der Anfechtungsanspruch sei daher als bürgerliche Rechtsstreitigkeit zu klassifizieren, unabhängig davon, ob die angefochtene Rechtshandlung selbst dem Zivilrecht, Arbeitsrecht oder dem öffentlichen Recht zuzuordnen sei.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des beklagten Landes. In Ergänzung zu seinen oben genannten Argumenten verweist es darauf, dass die Finanzgerichte im Hinblick auf die streitgegenständliche Erstattung von Steuerzahlungen die größere Sachnähe hätten. Den Rechtsstreit trotzdem den ordentlichen Gerichten zuzuweisen, führe zu Wertungswidersprüchen zu sonstigen verfahrens- und prozessrechtlichen Regelungen. Das vom LG zitierte Urteil des BGH habe heute keine Gültigkeit mehr. Der Umstand, dass für Fragen der Einzelanfechtung nach der Neufassung des § 191 AO der Finanzgerichtsweg und gem. § 12 Nr. 4 KAG NW der Weg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet sei und der BGH seine Zuständigkeit für die Einzelanfechtung mehrfach mit der der Insolvenzanfechtung verknüpft habe, spreche nämlich gegen eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte.
Im Übrigen habe der Gesetzgeber die Erstattung von Steuerzahlungen abschließend in der Abgabenordnung geregelt wissen wollen. Dies ergebe sich aus dem Vergleich mit der Regelung des § 32 AO, der eine Haftungsbe...