Entscheidungsstichwort (Thema)

Sorgerechtsverfahren: Erhöhung des Verfahrenswertes

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Abweichung vom Regelwert von 3.000 EUR nach § 45 Abs. 1 FamGKG ist gem. § 45 Abs. 3 FamGKG auf die besonderen Umstände des Einzelfalls abzustellen.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens nebst Durchführung von zwei Anhörungen führt nicht ohne weiteres zur Festsetzung eines höheren als des Regelwerts.

 

Normenkette

FamGKG § 45 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Marl (Beschluss vom 03.02.2012; Aktenzeichen 36 F 59/11)

 

Tenor

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter gegen die Verfahrenswertfestsetzung im Beschluss des AG - Familiengericht - Marl vom 3.2.2012 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Im zugrunde liegenden Verfahren stritten die Kindeseltern um das Sorgerecht für ihr am 3.7.2001 geborenes gemeinsames Kind. Nach einem ersten gerichtlichen Erörterungstermin mit den Kindeseltern am 30.3.2011 bestellte das AG einen Verfahrensbeistand. Unter dem 27.6.2011 gab das AG die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens in Auftrag. Dieses wurde unter dem 18.11.2011 erstellt. Am 1.2.2012 fand vor dem AG ein zweiter Anhörungstermin mit den Kindeseltern, dem Verfahrensbeistand, einer Mitarbeiterin des Jugendamtes sowie der Sachverständigen statt. Das Verfahren wurde durch Beschluss des AG vom 3.2.2012 beendet.

Das AG hat den Verfahrenswert gem. § 45 FamGKG auf 3.000 EUR festgesetzt. Gegen diese Festsetzung richtet sich die im eigenen Namen eingelegte Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter, die eine Festsetzung des Verfahrenswertes auf 5.000 EUR erstrebt, da ein Sachverständigengutachten eingeholt worden sei und zwei Anhörungstermine stattgefunden hätten. In der Nichtabhilfeentscheidung vom 1.3.2012 hat das AG ausgeführt, dass keine besonderen Umstände vorliegen, die eine Wertfestsetzung auf 3.000 EUR unbillig erscheinen lassen.

II. Die im eigenen Namen erhobene und gem. den §§ 32 Abs. 2 RVG, 59 Abs. 1 FamGKG zulässige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter ist nicht begründet.

Gemäß § 45 Abs. 1 FamGKG beträgt in den dort genannten Kindschaftssachen der Verfahrenswert 3.000 EUR. Nach Abs. 3 dieser Vorschrift kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Wert festsetzen, wenn eine Festsetzung von 3.000 EUR nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist.

Der Senat teilt die Ansicht des AG, dass die Voraussetzungen nach § 45 Abs. 3 FamGKG für eine Festsetzung abweichend vom Regelwert von 3.000 EUR hier nicht gegeben sind. Abzustellen ist auf die besonderen Umstände des Einzelfalls. Hierbei ist von der gesetzlichen Wertung des § 45 Abs. 1 FamGKG auszugehen, dass bei Kindschaftssachen wie der vorliegenden grundsätzlich von einem Verfahrenswert von 3.000 EUR auszugehen ist. Zwar kann es im Einzelfall aufgrund des besonderen Arbeitsaufwandes für das Gericht und die Verfahrensbevollmächtigten gerechtfertigt sein, vom Regelwert abzuweichen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 19.9.2011 - II-6 WF 307/11, OLG Celle, Beschl. v. 11.2.2011 - 10 WF 399/10, NJW 2011, 1373 = FamRZ 2011, 993). Allein die von der Beschwerdeführerin angeführten Umstände des vorliegenden Falls reichen hierzu jedoch nicht aus.

Insbesondere führt allein die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht zur Bejahung der Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 FamGKG. Dies folgt bereits daraus, dass dem Regelwert von 3.000 EUR nach § 45 Abs. 1 FamGKG auch solche Verfahren unterfallen, welche die Entziehung der elterlichen Sorge zum Gegenstand haben. In diesen Verfahren kommt es regelmäßig zur Einholung eines Sachverständigengutachtens. Damit verbunden ist regelmäßig auch der Umstand, dass zwei Anhörungstermine stattfinden, nämlich ein Termin vor Einholung des Gutachtens und ein Termin nach dessen Eingang. Gegen die Annahme einer Unbilligkeit des Regelwerts spricht hier weiterhin, dass eine Kindesanhörung im vorliegenden Verfahren nicht stattgefunden hat; vielmehr wurde auf die Anhörung im Verfahren AG Marl 36 F 274/11 Bezug genommen. Auch der Umfang des Akteninhalts von 168 Blatt bis einschließlich der gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache, davon 77 Seiten Sachverständigengutachten, ist nicht als überdurchschnittlich zu bewerten. Auch ansonsten sind Umstände, die hier ausnahmsweise die Festsetzung des Regelwerts nach den besonderen Umständen des Einzelfalls als unbillig erscheinen lassen, nicht ersichtlich. Soweit die Beschwerdeführerin schließlich geltend macht, dem Verfahren sei eine besondere Bedeutung für beide Eltern zugekommen, so trifft dies auf sämtliche in § 45 Abs. 1 FamGKG aufgeführten Verfahren zu.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2984475

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