Leitsatz (amtlich)
Auch bei der Geltendmachung von Volljährigenunterhalt in einem Erstverfahren trifft den Unterhaltsschuldner die Darlegungs- und Beweislast für die seine Leistungsunfähigkeit begründenden Umstände.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Bottrop (Beschluss vom 09.05.2011; Aktenzeichen 21 F 81/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 30.5.2011 wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen der Beschluss des AG - Familiengericht - Bottrop vom 9.5.2011, nach Übertragung der Entscheidung auf den Senat, abgeändert.
Der Antragstellerin wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin T aus R bewilligt, für ihren Auskunftsantrag und soweit sie beantragt,
den Antragsgegner zur Zahlung rückständigen Volljährigenunterhalts i.H.v. 885 EUR für die Zeit von August 2010 bis einschließlich April 2011 und von 115 EUR monatlich ab Mai 2011 zu verpflichten.
Die Gerichtsgebühr nach Nr. 1912 KV-FamGKG wird auf die Hälfte ermäßigt.
Gründe
I. Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Familiengericht den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht (§§ 113 I 1, 2 FamFG, 114 ZPO) zurückgewiesen.
II. Die gem. den §§ 113 I 1, 2 FamFG, 127 II 2, 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache nur im tenorierten Umfang Erfolg.
a) Der Bedarf der Antragstellerin nach den §§ 1601, 1610 BGB beträgt monatlich nicht mehr als 85 EUR bis einschließlich Dezember 2010, bzw. 115 EUR ab Januar 2011.
Da sich die Antragstellerin noch in der Ausbildung befindet und einen eigenen Hausstand hat, bemisst sich ihr Bedarf gem. Zi. 13.1.2 der Leitlinien des OLG Hamm zum Unterhaltsrecht (kurz: HLL) - Stand: 1.1.2010 und 1.1.2011 - nach den Regelsätzen für einen auswärtig untergebrachten Studenten i.H.v. monatlich 640 EUR, bzw. 670 EUR ab Januar 2011. Ihr Bedarf ist teilweise gedeckt durch das ihr zustehende Kindergeld i.H.v. 184 EUR monatlich sowie durch die die von ihr bezogenen Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz i.H.v. 371 EUR monatlich. Eine Anrechnung von ausbildungsbedingten Aufwendungen auf die zuletzt genannten Leistungen (vgl. Zi. 13.2 HLL) kommt nicht in Betracht, denn ihre ausbildungsbedingten Aufwendungen sind bis zu einem Betrag von 90 EUR monatlich in dem Regelbedarf von 640 EUR, bzw. 670 EUR ab Januar 2011 bereits enthalten (vgl. Zi. 10.2.3 und 13.1.2 HLL).
b) Der Antragsgegner haftet mit seinem Einkommen für den Bedarf der Antragstellerin alleine, denn die Antragstellerin hat dargelegt und durch Vorlage des Bescheides über die Grundsicherung für Arbeitslose der Stadt H vom 20.9.2010 belegt, dass ihre Mutter nicht leistungsfähig zur Zahlung von Barunterhalt ist, weil ihre Einkünfte geringer als der ihr zu belassende angemessenen Selbstbehalt von 1.100 EUR, bzw. 1.150 EUR ab Januar 2011 sind (vgl. Zi. 13.3.1 HLL).
c) Die Antragstellerin hat auch dargelegt, dass der Antragsgegner zur Zahlung des geschuldeten Barunterhalts in der Lage ist. Sein Nettoeinkommen beträgt, ausweislich der von ihm zu den Akten gereichten Verdienstnachweise, rund 1.938 EUR monatlich. Hinzu kommen gegebenenfalls noch zu belegende Einkommensteuererstattungen in den Jahren 2010 und 2011. Nach Abzug der von ihm behaupteten Fahrtkosten i.H.v. 157,30 EUR und des ihm zu belassenden angemessenen Selbstbehalts verbleiben ihm monatlich noch mindestens 680 EUR, bzw. 630 EUR für Unterhaltsleistungen.
Soweit das Familiengericht meint, die Antragstellerin müsse auch darlegen und beweisen, dass keine vorrangigen Unterhaltsverpflichtungen des Antragsgegners gegenüber seiner Ehefrau bestehen, hat es die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast der Antragstellerin überspannt.
Die Antragstellerin trifft die Darlegungs- und Beweislast für die ihren Anspruch begründenden Tatsachen. Dazu gehört, neben der Darlegung ihres Bedarfs, die Darlegung der Höhe des Einkommens ihrer Eltern für die Berechnung der Haftungsquoten und zur Ermittlung der Höhe des ihr zustehenden Unterhaltsanspruchs gegen den Antragsgegner.
Die Darlegungs- und Beweislast für seine Leistungsunfähigkeit trifft dagegen den Antragsgegner als Unterhaltsschuldner selbst. Das folgt aus der - als Einwendung ausgestalteten - Regelung in § 1603 I BGB, die nicht nur den Mindestunterhalt minderjähriger Kinder betrifft, sondern auf alle Unterhaltsansprüche von Verwandten nach § 1601 BGB Anwendung findet (vgl. Wendl/Staudigl-Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 6 Rz. 710 ff. m.w.N.). Zur Darlegung seiner Leistungsunfähigkeit gehört auch die vom Antragsgegner eingewandte Unterhaltsbedürftigkeit seiner gem. § 1609 Nr. 3 BGB vorrangig berechtigten Ehefrau. Das bedeutet, dass der Antragsgegner diejenigen Umstände darlegen und beweisen muss, die einen Unterhaltsanspruch seiner Ehefrau gegen ihn begründen. Sein Vortrag, dass seine Ehefrau kein laufendes Einkommen bezieht, reicht vor dem Hintergrund des Bestreitens durch die Antragstellerin für die Feststellung der Unte...