Leitsatz (amtlich)
1. Europarechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit von § 5a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 VVG a.F. bestehen nicht.
2. Hat ein Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag (hier: Lebensversicherung) bereits gekündigt und ist der Rückkaufswert an den Versicherungsnehmer ausgekehrt worden, kann der Versicherungsnehmer zu einem späteren Zeitpunkt einen Widerspruch nach § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. nicht mehr erklären.
3. Eigene Wahrnehmungen (hier: Zugang von Vertragsunterlagen) kann der Versicherungsnehmer nur dann wirksam mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO bestreiten, wenn er die Möglichkeit eines Vergessens plausibel darlegt.
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 6 O 280/10) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.
Gründe
Die Berufung der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg; die angefochtene Entscheidung trifft im Ergebnis zu. Weder begründen konkrete Anhaltspunkte i.S.d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen im angefochtenen Urteil noch beruht das Urteil auf einer Rechtsverletzung.
Im Ergebnis zutreffend ist das LG davon ausgegangen, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Rückerstattung von ihr auf den Lebensversicherungsvertrag geleisteter Prämien zzgl. Nutzungsersatz bzw. Zinsen weder unter bereicherungs- noch unter schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten zusteht.
I. Kein Bereicherungsanspruch:
Der Klägerin steht entgegen der von ihr vertretenen Auffassung kein Bereicherungsanspruch aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 BGB zu. Denn der in Rede stehende Lebensversicherungsvertrag ist wirksam zustande gekommen und auch nicht wirksam widerrufen worden.
1. Der in Rede stehende Lebensversicherungsvertrag ist wirksam im Wege des sog. "Policenmodells" nach § 5a Abs. 1 u. Abs. 2 VVG a.F. zustande gekommen. Danach kommt, wenn dem Versicherungsnehmer - wie hier - die Versicherungsbedingungen und die gesetzlich vorgeschriebenen Verbraucherinformationen bei Antragstellung nicht übergeben werden, der Versicherungsvertrag erst wirksam zustande, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die v.g. Bedingungen und Informationen vollständig vorliegen, er bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist und nicht innerhalb einer Frist von 30 Tagen widerspricht. Bis dahin ist der Vertrag schwebend unwirksam.
Bereits diese 30-Tagesfrist hat die Klägerin indes versäumt. An dem Vorliegen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht bestehen keine Zweifel. Die Klägerin ist im Schreiben der Beklagten vom 29.9.2006, mit dem ihr der Versicherungsschein übersandt worden ist, ordnungsgemäß in drucktechnisch abgesetzter Form und Fettdruck über das Widerspruchsrecht belehrt worden (vgl. Anlage B 3 zum Schriftsatz vom 23.7.2010). Die Versicherungsbedingungen und erforderlichen Verbraucherinformationen i.S.d. § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. sind in vollständiger Form Bestandteil des Versicherungsscheins vom 1.11.2006, dort Blatt 3 ff. (vgl. Anlage B 2 zum Schriftsatz vom 23.7.2010).
Die v.g. Unterlagen sind der Klägerin auch zugegangen. Soweit die Klägerin dies mit Nichtwissen zu bestreiten versucht, ist dies unbeachtlich. Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist, wie nicht zuletzt aus der Wahrheitspflicht der Parteien folgt, nur dann zulässig, wenn der Erklärende tatsächlich keine Kenntnis hat, wobei der Klägerseite insoweit zuzugestehen ist, dass dies auch dann der Fall sein kann, wenn der Erklärende den in Rede stehenden Vorgang vergessen hat (vgl. BGH NJW-RR 2002, 612; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 138 Rz. 13). Dies setzt allerdings voraus, dass der Erklärende den Vorgang tatsächlich vergessen hat, was für das Gericht plausibel darzulegen ist (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 22.11.1995 - 20 U 186/95, Zitat nach juris, Tz 10 = VersR 1996, 1408). Andernfalls ist die Erklärung wie Nichtbestreiten zu behandeln (vgl. Zöller, a.a.O.). So verhält es sich im Ergebnis hier. Das Bestreiten der Klägerin ist nicht plausibel. Zunächst fällt auf, dass der Zugang des Versicherungsscheins einschließlich Bedingungen und Verbraucherinformationen in der Klageschrift nicht in Abrede gestellt worden ist. Bestritten worden ist in der Klageschrift nur ("vorsorglich"), dass die allgemeinen Vertragsbedingungen vor Antragstellung übermittelt worden sind (vgl. S. 4 der Klageschrift vom 26.5.2010, Bl. 4 d. GA). Im Schriftsatz vom 14.9.2010 wurde dann "mit Nichtwissen" (lediglich) bestritten, dass die Klägerin eine "Antragskopie" erhalten habe und " die Beklagte in dem entsprechenden Schreiben, das angeblich übersandt worden sein soll, auf ein Widerspruchsrecht (...) hingewiesen hätte" (dort S. 2, Bl. 80 d. GA). Erstmals mit Schriftsatz vom 16.11.2010 (dort S. 2, Bl. 104 d. GA) wurde dann auch bestritten, dass die Klägerin d...