Verfahrensgang
AG Bochum (Beschluss vom 30.07.2015; Aktenzeichen 59 F 42/14) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - Familiengerichts - Bochum vom 30.7.2015 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Verfahrenswert von 3.000 EUR zu tragen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Das AG hat zu Recht die gemeinsame Sorge der beteiligten Eltern für die betroffenen Kinder nach § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB aufgelöst und das Sorgerecht der Antragstellerin antragsgemäß allein übertragen.
Der Senat teilt vollumfänglich die ausführliche und sorgfältige Begründung der amtsgerichtlichen Entscheidung und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug.
Die dagegen gerichteten Beschwerdeangriffe vermögen nicht zu überzeugen.
Die Dauer des Sorgerechtsverfahrens kann von vornherein keinen Einfluss auf die materiell-rechtlich zutreffende Entscheidung haben.
Verfahrensfehler im eigentlichen Sinn sind dem AG nicht unterlaufen. Die beteiligten Eltern sowie Kinder sind persönlich angehört, das Jugendamt und ein Verfahrensbeistand sind hinzugezogen worden. Dass es zu dem ursprünglich vorgesehenen Sachverständigengutachten nicht gekommen ist, ist unschädlich, weil auch ohne ein solches hinreichende Erkenntnisgrundlagen für die zu beurteilenden Fragen vorhanden waren. Soweit der Antragsgegner das Unterlassen speziell eines lösungsorientierten Gutachterverfahrens, d.h. eines Einigungsversuchs des bzw. eines Sachverständigen vor der eigentlichen Gutachtenerstattung nach § 163 Abs. 2 FamFG, bemängelt, liegt auch kein Verfahrensfehler vor, weil es sich nur um eine Kann-Bestimmung handelt. Nur dem Gericht selbst legt das Gesetz ein Hinwirken auf ein Einvernehmen auf, nämlich in § 156 FamFG.
Das Kriterium für eine Auflösung der gemeinsamen Sorge ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.7.2009 (FamRZ 2010, 1403) nicht gegenüber der früheren Rechtslage verschärft worden. Zwischen den Begriffen der tragfähigen sozialen Beziehung und des Mindestmaßes an Übereinstimmung und Kooperationsfähigkeit besteht in der Sache kein messbarer Unterschied. Bereits in der Entscheidung BGH FamRZ 2008, 592 sind die Begriffe der tragfähigen sozialen Beziehung (Juris-Rn. 11) und des Mindestmaßes an Verständigungsmöglichkeiten (Juris-Rn. 12) ohne sachliche Unterscheidung verwendet worden, ähnlich wie zuvor in der Entscheidung BVerfG FamRZ 2004, 354 (Juris-Rn. 10). Dort ist ferner ausgeführt, dass kein grundsätzlicher Vorrang der gemeinsamen gegenüber der Alleinsorge besteht. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 21.7.2009 auch nicht ausgesprochen, dass Voraussetzung für die Auflösung der gemeinsamen Sorge eine bereits unmittelbar akute Kindeswohlgefährdung sein müsse. Vielmehr soll von vornherein vermieden werden, dass - langfristig - "das Kind in seiner Beziehungsfähigkeit beeinträchtigt und in seiner Entwicklung gefährdet" wird, wenn die Eltern ihren Konflikt auf seinem Rücken austragen (vgl. a.a.O. Juris-Rn. 50).
Dass konkrete, die Alltagskompetenz nach § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB überschreitende Entscheidungen in Kindesbelangen derzeit nicht anstehen, kann der Übertragung der Alleinsorge in einem Hauptsacheverfahren nicht entgegenstehen. Es kann der ungestörten Entwicklung und damit dem Wohl eines Kindes nicht dienlich sein, für jeden künftig auftretenden Entscheidungsbedarf das Erfordernis eines gerichtlichen Verfahrens, sei es für eine Einzelfallentscheidung nach § 1628 BGB oder dann auf eine einstweilige Anordnung über das Sorgerecht im Ganzen gerichtet, vor Augen haben zu müssen. Auch die vom Antragsgegner zitierte Entscheidung BGH FamRZ 2005, 1167 trägt seine Auffassung in diesem Punkt nicht. Im dortigen Fall stand nämlich nicht nur (außerhalb des Teilbereichs der religiösen Erziehung) keine konkrete Entscheidung in Kindesbelangen an (vgl. Juris-Rn. 9), sondern es fehlte auch - im Gegensatz zum vorliegenden Fall - an einer hinreichenden Tatsachengrundlage für die Annahme einer generellen Kommunikationsunfähigkeit der Eltern (vgl. Juris-Rn. 8).
Ebensowenig kann eine "faktische Duldung" von Alleinentscheidungen der Antragstellerin durch den Antragsgegner eine förmliche Sorgerechtsübertragung entbehrlich machen. Denn ein rechtswirksames Handeln für die Kinder im Außenverhältnis ist der Antragstellerin allein aufgrund einer "faktischen Duldung" in der Regel nicht möglich, soweit die Alltagskompetenz überschritten wird. Eine trotz gemeinsamen Sorgerechts allein vorgenommene Schulanmeldung, ein allein unterzeichneter Krankenhausaufnahmevertrag oder sonstiger bedeutenderer Vertrag ist nämlich mangels ausreichender Vertretungsmacht nicht wirksam.
Zu Unrecht zieht sodann der Antragsgegner die Feststellung des Fehlens einer tragfähigen sozialen Beziehung bzw. eines Mindestmaßes an Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit für den gegenwärtigen Zeitpunkt als solche in Zweif...