Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung des Vergütungsanspruchs beim Anspruchsübergang nach § 1836e BGB
Leitsatz (amtlich)
1. Durch eine strafbare Untreue oder Unterschlagung kann der Anspruch des Betreuers auf Vergütung und Aufwendungsersatz ganz oder teilweise verwirkt sein.
2. Die Annahme einer Verwirkung ist nicht davon abhängig, dass die strafbare Handlung in denselben Zeitraum fällt, für den Vergütung und Aufwendungsersatz in Anspruch genommen werden.
3. Der Verwirkungseinwand ist im Festsetzungsverfahren nur beachtlich, wenn die Tatsachen für die Beurteilung der strafrechtlichen Vorwürfe feststehen.
4. Der Betreute kann den Verwirkungseinwand nach den §§ 412, 404 BGB uneingeschränkt auch in dem Verfahren erheben, in dem die Staatskasse die Festsetzung der auf sie gem. § 1836e BGB übergegangenen Ansprüche des Betreuers betreibt.
Normenkette
BGB §§ 404, 412, 1836e; FGG § 56g Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
LG Dortmund (Beschluss vom 11.08.2006; Aktenzeichen 17 T 209/04) |
AG Hamm (Aktenzeichen XVII S 786 SH) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss des LG Dortmund wird teilweise aufgehoben und der Beschluss des AG Hamm vom 20.9.2004 wird teilweise dahingehend abgeändert, dass die Verpflichtung der Beteiligten zu 1) zur Rückzahlung der auf die Beteiligte zu 3) übergegangenen Ansprüche aus Betreuervergütung und Aufwendungsersatz für den Zeitraum vom 1.3.2001 bis zum 31.12.2003 nur i.H.v. insgesamt 2.104,48 EUR besteht.
Gründe
I. Für die Betroffene, die an einer leichten intellektuellen Minderbegabung leidet, wurde mit Beschluss des AG Hamm vom 5.12.2000 zunächst eine vorläufige Betreuung und mit weiterem Beschluss vom 16.1.2001 eine endgültige Betreuung mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge einschließlich eines Einwilligungsvorbehaltes angeordnet. Zur Berufsbetreuerin wurde Frau U bestellt. Durch Beschluss des AG Hamm vom 22.4.2002 wurde Frau U entlassen und der Beteiligte zu 2) zum neuen Berufsbetreuer bestellt. Die frühere Betreuerin hat für den Zeitraum vom 5.12.2000 bis zum 31.12.2001 insgesamt 7.760,97 EUR an Vergütung und Aufwendungsersatz aus der Landeskasse erhalten. Mit den Beschlüssen des AG Hamm vom 6.12.2002 und 12.6.2003 wurde festgestellt, dass die an die frühere Betreuerin am 9.3.2001 und 11.6.2001 aus der Staatskasse gezahlten Beträge i.H.v. 2.751,71 EUR bzw. 1.741,96 EUR gem. § 1836e BGB auf die Staatskasse übergegangen sind und die Einziehung des Betrages von 2.751,71 EUR und eines weiteren Teilbetrages vom 605,32 EUR angeordnet. Diese Entscheidungen sind nicht angefochten worden.
Die früher mittellose Betroffene verfügte im April 2004 aufgrund einer Erbschaft über ein Vermögen von mehr als 14.000 EUR.
Mit Beschluss vom 20.9.2004 hat das AG Hamm festgestellt, dass die Betroffene zur Rückzahlung der in dem Zeitraum vom 1.3.2001 bis zum 31.12.2003 aus der Landeskasse an die frühere Betreuerin und den Beteiligten zu 2) gezahlten Beträge i.H.v. insgesamt 6.508,42 EUR verpflichtet ist, wovon noch 4.403,93 EUR auf die an die frühere Betreuerin für den Zeitraum vom 1.3.2001 bis zum 31.12.2001 geleisteten Zahlungen entfallen.
Gegen den am 24.9.2004 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 2) im Namen der Betroffenen am 29.9.2004 sofortige Beschwerde eingelegt, soweit die Rückforderung sich auf die Beträge bezieht, die an die frühere Betreuerin gezahlt worden sind. Insoweit bestehe nach Treu und Glauben kein Vergütungsanspruch, weil die frühere Betreuerin Gelder der Betroffenen veruntreut habe. Hilfsweise werde die Aufrechnung mit entsprechenden Schadensersatzansprüchen erklärt. Im Übrigen habe die frühere Betreuerin Leistungen abgerechnet, die nicht erbracht worden seien.
Mit dem rechtskräftigen Urteil des AG Hamm vom 16.12.2005 (Az. 9 Ls 116 Js 64/03) ist die frühere Betreuerin insoweit wegen Untreue in 16 besonders schweren Fällen zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden, weil sie in der Zeit vom 9.1.2002 bis zum 18.4.2002 Geldbeträge der Betroffenen von 2.575 EUR für sich verwendet hat.
Das LG hat mit Beschluss vom 11.8.2006 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels den Rückforderungsanspruch auf einen Betrag von 6.310,02 EUR beschränkt und zur Begründung ausgeführt, wegen nicht erbrachter Leistungen der früheren Betreuerin sei von dem Rückforderungsanspruch ein Abzug von 198,40 EUR vorzunehmen, während der Einwand der Verwirkung des Vergütungsanspruchs nicht durchgreife. Zugleich hat es die weitere Beschwerde zugelassen.
Gegen den am 21.8.2006 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 2) am 4.9.2006 im Namen der Betroffenen sofortige weitere Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dem auf die Landeskasse übergegangenen Anspruch könne der Einwand der Verwirkung des Vergütungsanspruchs der früheren Betreuerin entgegengesetzt werden.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist gem. §§ 56g Abs. 5 S. 2, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Betroffenen ergibt sich bereits daraus, dass...