Leitsatz (amtlich)

Vereinbaren die Parteien in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässigerweise einen ausschließlichen Gerichtsstand, kann der an die Gerichtsstandvereinbarung gebundene Kläger keinen hiervon abweichenden besonderen Gerichtsstand wählen. In diesem Fall hat der Kläger auch nicht das Recht, die Gegenpartei mithilfe einer Gerichtsstandbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vor ein anderes Gericht zu zwingen. Dies schließt es jedoch nicht aus, in einem Gerichtsstandbestimmungsverfahren im Einzelfall das im Verhältnis zu einem Streitgenossen prorogierte Gericht auch hinsichtlich des anderen Streitgenossen als zuständig zu bestimmen.

 

Normenkette

ZPO §§ 29, 36 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 104 O 96/17)

 

Tenor

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Landgericht Stuttgart bestimmt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Höhe von 153.734,94 EUR sowie weiterer 2.743,43 EUR (jeweils nebst Zinsen) vor dem Landgericht Münster klageweise in Anspruch. Die Klägerin trägt hierzu - soweit für das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren von Belang - im Kern vor, dass sie infolge von Fehlleistungen der Beklagten zum einen ihrer Auftraggeberin (der X-AG) Schadensersatz habe leisten müssen und zum anderen einen erheblichen Anteil der ihr bei mangelhafter Erstellung des Gewerks zustehenden Werklohnansprüche nicht mehr habe realisieren können. Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1) mit der Behauptung einer mangelhaften Aufbauplanung, die Beklagte zu 2) mit der Behauptung mangelhafter Planung und Bauüberwachung in Anspruch. Die Klägerin war ihrerseits von der X-AG im Januar 2015 mit der Beseitigung eines aufgrund eines Regenereignisses vom 28.07.2014 im Materiallager der - in der Q-Straße in N. gelegenen - hauseigenen Druckerei der X-AG beauftragt worden.

Die Beklagte zu 1) hat ihren Sitz in Ditzingen (Landgerichtsbezirk Stuttgart), die Beklagte zu 2) in Münster (Landgerichtsbezirk Münster).

Mit prozessleitender Verfügung vom 23.10.2017 hat das Landgericht Münster die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts hinsichtlich der gegen die Beklagte zu 1) erhobenen Klage weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sei. Die örtliche Zuständigkeit dürfte sich, so das Landgericht Münster weiter, "weder aus §§ 12, 17 ZPO noch aus § 29 ZPO ergeben, da es sich bei der streitigen Erfüllungshandlung um eine Zahlungspflicht handele, deren Leistungsort gemäß §§ 269, 270 ZPO [gemeint wohl: BGB] der Ort des Schuldners ist".

Mit Schriftsatz vom 30.11.2017 hat die Klägerin darauf verwiesen, dass bauvertragliche Ansprüche - gleich welcher Art - wechselseitig am Ort des Bauwerkes geltend gemacht werden könnten, zugleich aber vorsorglich den Senat um Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß §§ 36, 37 ZPO ersucht.

Nach Vorlage der Akten durch das Landgericht Münster hat der Senat mit Verfügung vom 03.01.2018 die Parteien darauf hingewiesen, dass nach wohl nahezu einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung Erfüllungsort i.S.d. § 29 ZPO für die wechselseitigen Verpflichtungen aus einem Bauwerkvertrag regelmäßig der Ort des Bauwerkes ist (vgl. BGH, Beschluss vom 05.12.1985, I ARZ 737/85, MDR 1986, 469; in Bezug genommen durch Urteil vom 24.01.2007, XII ZR 168/04, NJW-RR 2008, 777 - zitiert nach Juris, Rn. 17; OLG Dresden, Beschluss vom 16.06.2009, 3 AR 0046/09, NRW-RR 2010, 166; BayObLG, Beschluss vom 11.02.2000, 4Z AR 13/00 - zitiert nach Juris; weitere Nachweise bei: Zöller/Schultzky, ZPO 32. Aufl., § 29 Rn. 25 unter "Bauwerkvertrag" und "Werkvertrag") und gleiches für andere ortsbezogene vergleichbare Werkleistungen gilt (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 27.03.1987, 2 U 608/83, NJW-RR 1988, 1401 - "Erfüllungsort für alle beiderseitigen Verpflichtungen"; Zöller a.a.O.).

Hierzu hat die Beklagte zu 1) mit Schriftsatz vom 26.01.2018 entgegnet, dass sie das angerufene Landgericht Münster mit Blick auf den Abschnitt "Erfüllungsort, Gerichtsstand, Schlussbestimmungen" unter Ziffer 1. ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen für unzuständig halte. Die maßgebliche Passage lautet:

"Erfüllungsort für sämtliche Verbindlichkeiten aus diesem Vertrag, insbesondere für die Zahlung des Kaufpreises, sowie Gerichtsstand ist Ditzingen, wenn der Käufer Kaufmann im Sinne des § 38 Abs. 1 ZPO ist. Wir sind jedoch berechtigt, Klage am Sitz des Käufers zu erheben."

Mit Schriftsatz vom 05.02.2018 hat die Klägerin ausgeführt, dass sie die Rechtsauffassung des Senates teile, das Landgericht Münster auf Nachfrage ihres Prozessbevollmächtigten aber weiterhin die eigene Zuständigkeit in Zweifel gezogen habe.

Daraufhin hat der Senat mit Verfügung vom 05.04.2018 darauf hingewiesen, dass die wirksame Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes der an sie gebundenen Partei das Recht nimmt, die Gegenpartei mit Hilfe einer Bestimmung des zuständigen Gerichtes nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an ein anderes Gericht zu ziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 19.03.1987, I ARZ 903/86, Zitat nach Juris). Die...

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