Leitsatz (amtlich)

Zur Entziehung der elterlichen Sorge gem. §§ 1666, 1666a BGB.

 

Normenkette

BGB §§ 1666, 1666a

 

Verfahrensgang

AG Gronau (Westfalen) (Beschluss vom 01.12.2011; Aktenzeichen 14 F 200/10)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den am 1.12.2011 erlassenen Beschluss des AG - Familiengericht - Gronau wird zurückgewiesen.

Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der vorstehend bezeichnete Beschluss abgeändert, soweit dem Kindesvater die elterliche Sorge für das Kind K, geboren am... 2010, entzogen worden ist, und der Antrag des Jugendamts I auf Entziehung der elterlichen Sorge bezüglich des Kindesvaters zurückgewiesen. Es wird klargestellt, dass der Kindesvater damit die alleinige Sorge für das Kind K innehat.

Dem Kindesvater wird aufgegeben,

1. öffentliche Hilfen, insbesondere Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe (z.B. die derzeit eingesetzte sozialpädagogische Familienhilfe), soweit sie vom Jugendamt für erforderlich erachtet werden, in Anspruch zu nehmen und mit den eingesetzten Fachkräften zusammenzuarbeiten;

2. mit dem Jugendamt einen Plan zur Rückführung von K in seinen Haushalt zu entwickeln und die in diesem Zusammenhang getroffenen Absprachen einzuhalten;

3. unangemeldete Kontrollen des Jugendamts in seinem Haushalt zuzulassen.

Es wird angeordnet, dass das Kind K längstens bis zum 30.11.2015 bei den Pflegeeltern verbleibt. Dadurch ist ein etwaiger früherer Wechsel des Kindes in den Haushalt des Kindesvaters entsprechend einer möglichen Einschätzung des Jugendamtes nicht ausgeschlossen.

Gerichtskosten für die Beschwerdeinstanz werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf insgesamt 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Es geht um das Sorgerecht für das minderjährige Kind K, geb. am... 2010.

Die Kindesmutter (*... 1977) stammt aus dem Kosovo und lebt seit ihrem 13. Lebensjahr in Deutschland. Sie hat weder in ihrem Geburtsland noch in Deutschland die Schule besucht. Da sie aufgrund dessen Analphabetin ist, benötigt sie Hilfe bei der Erledigung von schriftlichen Angelegenheiten. Im Hinblick darauf hat der sozialpsychiatrische Dienst des Kreises C zunächst im Einverständnis mit der Kindesmutter eine Betreuung angeregt. Im Betreuungsverfahren hat der Facharzt für Psychiatrie T in seinem Gutachten vom 11.10.2011 ausgeführt, dass bei der Kindesmutter von einer einfach strukturierten Persönlichkeit an der Grenze zu einer intellektuellen Minderbegabung (F 70) bei einer Persönlichkeit mit unreif emotional instabilen Zügen (F 60.9) ausgegangen werden könne. Im Anhörungstermin des Betreuungsverfahrens hat die Kindesmutter die Einrichtung einer Betreuung schließlich abgelehnt. Seit etwa 1 ½ Jahren besucht sie morgens eine Sprachschule zwecks Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse. Dort lernt sie auch Lesen und Schreiben.

Der Kindesvater (*... 1954) ist gelernter Schweißer, hat aber in der Vergangenheit auch als Maler und Lackierer gearbeitet. Seit mehreren Jahren ist er arbeitslos. Er ist Alkoholiker, lebt aber bereits seit mehreren Jahren abstinent.

Die Kindesmutter ist in zweiter Ehe mit dem Kindesvater verheiratet, für den es bereits die dritte Ehe ist. Die Kindesmutter hat 2 Söhne aus erster Ehe im Alter von fast 18 bzw. 14 Jahren, die bei ihr leben. Der Kindesvater hat 3 Söhne aus erster Ehe, zu denen er derzeit keinen Kontakt hat.

Die Ehe zwischen den beteiligten Kindeseltern wurde am 30.12.2005 geschlossen. Seit Januar 2010 leben sie getrennt. Der Kindesvater hat mit Schriftsatz vom 24.10.2011 die Scheidung beantragt, der der Kindesmutter am 22.2.2012 zugestellt worden ist. Bislang ist die Ehe noch nicht geschieden, da die Kindesmutter ihrer Mitwirkungspflicht bei der Kontenklärung im Hinblick auf den Versorgungsausgleich nicht nachkommt.

Aus dieser Ehe ist neben dem hier betroffenen minderjährigen Kind K noch die weitere Tochter K2 hervorgegangen. K2 und K lebten nach der Trennung im Januar 2010 zunächst bei der Kindesmutter. Dem Kindesvater wurde ein Umgangsrecht eingeräumt. Daneben übernahm der Vater weiterhin die Verantwortung für die Kitabesuche von K2.

Am 1.6.2011 hat der Kindesvater K2 mit Unterstützung des Jugendamtes und unter Einsatz einer sozialpädagogischen Familienhilfe in seinen Haushalt geholt, was von der Kindesmutter zunächst nicht akzeptiert wurde. Inzwischen ist das alleinige Sorgerecht für K2 dem Kindesvater übertragen worden. K verblieb zunächst weiter im Haushalt der Kindesmutter.

Mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 1.12.2011 hat das AG den Kindeseltern das Sorgerecht für K entzogen und auf das Jugendamt der Stadt I übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Aufgrund dieses Beschlusses befindet sich K seit dem 20.12.2011 in einer Bereitschaftspflegefamilie. Mit Beschluss des AG Gronau vom 21.8.2012 (13 F 59/12) ist dem Kindesvater ein begleitetes Umgangsrecht mit K zweimal wöchentlich eingeräumt worden, wobei ein Umgangskontakt zunächst jeweils im Kindergarten im Rah...

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