Entscheidungsstichwort (Thema)
Gefahr des Todes eines nahen Angehörigen bei Anordnung der Zwangsversteigerung. Zwangsversteigerung des im Wohnungsgrundbuch von R. Stadt Blatt 3969 auf den Namen der Schuldnerin eingetragenen Wohnungseigentums, Wohnung Nr. 1 im Hause …
Leitsatz (amtlich)
Besteht die Möglichkeit, daß ein naher Angehöriger des Schuldners wegen der Anordnung der Zwangsversteigerung stirbt oder ernsthaft erkrankt, kann dies ein wichtiger Grund iSd § 765 a ZPO sein.
Normenkette
ZPO §§ 765a, 568
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 5 T 1038/00) |
AG Rheine (Aktenzeichen 12 K 54/00) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde – an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1) betreibt gegen die Beteiligte zu 2) die Zwangsversteigerung wegen dinglicher Ansprüche aus den in Abteilung III des Wohnungsgrundbuchs unter laufende Nummern 2, 3 und 5 eingetragenen Grundschulden über zweimal 50.000,00 DM und 100.000,00 DM nebst Zinsen, mit denen das eingangs genannte Wohnungseigentum der Beteiligten zu 2) belastet ist. Mit Beschluß des Amtsgerichts vom 20.06.2000 wurde die Zwangsversteigerung aus der Grundschuld laufende Nr. 3 angeordnet. Mit Beschluß vom 19.09.2000 wurde der Beitritt der Gläubigerin wegen der dinglichen Ansprüche aus den Grundschulden laufende Nummer 2 und 5 angeordnet.
In der Wohnung lebt seit über 30 Jahren die am 24. April 1910 geborene Mutter der Schuldnerin, Frau … K. Zu ihren Gunsten ist in Abteilung II des Wohnungsgrundbuchs ein dingliches Wohnrecht am 06.05.1992 eingetragen worden. Dieses Wohnrecht ist gegenüber den Grundschulden laufende Nummer 2 und 3 nachrangig.
Mit Schriftsatz vom 24.07.2000 hat die Beteiligte zu 2) die Einstellung des Verfahrens beantragt, weil die Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums die Gesundheit ihrer Mutter beeinträchtige und ihr Leben gefährde. Ihre Mutter sei in erheblichem Maße herzkrank und werde mit Sicherheit in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten, sollte sie von der Anordnung der Zwangsversteigerung erfahren. Sie hat dazu eine ärztliche Bescheinigung des Hausarztes ihrer Mutter Dr. med. … H. vom 20.07.2000 vorgelegt, in der es unter anderem heißt:
„Im Vordergrund stehen die kardialen Erkrankungen. Falls die Bank, wie mir mitgeteilt wurde, auf einer Versteigerung besteht, wird es mit Sicherheit zu einer akuten Exacerbation der 90-jährigen Patientin kommen. Frau K. lebt seit vielen Jahren in dem Wohnhaus ihrer Tochter und würde die Anordnung der Zwangsversteigerung nicht verkraften. Es kann mit Sicherheit gesagt werden, daß es zu einer akuten Verschlechterung des Gesundheitszustandes kommt, eventuell wird die Patientin sogar diesen juristischen Schritt nicht überleben.”
Das Amtsgericht hat den Einstellungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, daß das gesundheitliche Risiko für die Mutter der Schuldnerin erst bei einer Räumung berücksichtigt werden könne.
Das Landgericht hat durch Beschluß vom 14.12.2000 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2), die sie durch ihren Verfahrensbevollmächtigten mit einem am 01.02.2001 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist nach den §§ 95 ZVG, 793 Abs. 2, 568 Abs. 2 S. 1 ZPO statthaft und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist auch sonst zulässig. Zwar enthält die angefochtene Beschwerdeentscheidung keinen neuen selbständigen Beschwerdegrund nach § 568 Abs. 2 ZPO. Das Landgericht ist nämlich ebenso wie das Amtsgericht auf den Einstellungsantrag sachlich eingegangen und ist zu der Beurteilung gelangt, die Voraussetzungen für den beantragten Vollstreckungsschutz nach § 765 a ZPO lägen nicht vor. Beide Entscheidungen stimmen daher inhaltlich überein. Die sachliche Richtigkeit der dabei angestellten Erwägungen hat der Senat im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nach § 568 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht zu untersuchen.
Die sofortige weitere Beschwerde ist aber als Verfahrenszweitbeschwerde zulässig (vgl. dazu Senat NJW 1979, 170 = Rpfleger 1979, 32). Denn die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einem durchgreifenden Verfahrensmangel. Ein solcher Verfahrensmangel liegt dann vor, wenn das Landgericht bei seiner Entscheidung wesentliche Grundsätze des Beschwerdeverfahrens verletzt hat (BVerfG NJW 1979, 538; Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 568 Rdn. 16 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn dem Landgericht erstmals ein Verfahrensfehler unterlaufen ist und die Sachentscheidung bei korrektem Vorgehen möglicherweise anders ausgefallen wäre (Zöller/Gummer, a.a.O.). Dasselbe gilt aber auch dann, wenn beiden Vorinstanzen derselbe Verfahrensfehler dahin unterlaufen ist, daß sie p...