Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsbeschwerde. Protokoll der Geschäftsstelle. Rechtspfleger. Übernahme der Verantwortung für die Begründung einer Rechtsbeschwerde. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Belehrung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Form der Erklärung einer Rechtsbeschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle ist nur gewahrt, wenn klar zum Ausdruck kommt, dass der Urkundsbeamte eine von dem Beschwerdeführer vorgefertigte Rechtsbeschwerdebegründung geprüft, gebilligt und für sie die Verantwortung übernommen hat.

2. Den Anforderungen an die Übernahme der Verantwortung für den Inhalt einer Rechtsbeschwerdebegründung wird regelmäßig nicht genügt, wenn schriftlich vorgefertigte Erklärungen des Betroffenen in das Protokoll unverändert hineinkopiert bzw. eingescannt werden, sofern das Protokoll nicht gleichwohl erkennen lässt, dass der Urkundsbeamte die Grundsätze zur eigenständigen Prüfung der Rechtsmittelbegründung beachtet hat.

3. Dem Betroffenen ist auf rechtzeitigen Antrag regelmäßig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren, wenn die nicht formgerechte Begründung der Rechtsbeschwerde durch den Rechtspfleger zu vertreten ist; über diese Möglichkeit ist der Betroffene nach den Grundsätzen über ein faires Verfahren zu belehren.

 

Normenkette

StVollzG § 118 Abs. 3; StPO §§ 44-45; StVollzG § 120 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Aktenzeichen V StVK 79/15)

 

Tenor

Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Fristen der Rechtsbeschwerde und des Wiedereinsetzungsgesuchs werden als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last (§ 121 Abs. 2 StVollzG).

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. I wird zurückgewiesen.

 

Gründe

1.

Die am 01.03.2016 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Bochum eingelegte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, da sie nicht in einer den Anforderungen des § 118 Abs. 3 StVollzG genügenden Form begründet worden ist.

Die Niederschrift der Geschäftsstelle vom 01.03.2016 besteht neben einem Einleitungssatz, Ausführungen zu den Wiedereinsetzungsanträgen, den sich auf die Rechtsbeschwerde beziehenden Anträgen und einem kurzen Abschlussabschnitt lediglich aus dem ersichtlich unter Beibehaltung der Schriftart eingescannten, annähernd 11/2-seitigen Text, den der Betroffene bereits unter dem 14.01.2016 zur Begründung der Rechtsbeschwerde an das Landgericht Bochum übermittelt hat. Selbst Ungenauigkeiten der Interpunktion ("Vorliegend ist das der Fall,") sowie der Seitenumbruch des vorgenannten Schreibens sind beim Einfügen in die Niederschrift unverändert übernommen worden. Die Form der Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle ist aber nur gewahrt, wenn klar zum Ausdruck kommt, dass der Urkundsbeamte eine von dem Beschwerdeführer abgegebene Rechtsbeschwerdebegründung geprüft, gebilligt und für sie die Verantwortung übernommen hat (vgl. OLG Hamm, NStZ 1982, 526; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 119 Rn. 6 m.w.N.). Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 04.06.2013 - 1 Vollz (Ws) 122/13 - (ebenso Senatsbeschluss vom 19.05.2015 - 1 Vollz (Ws) 201/15 -) ausgeführt:

"Durch die Formvorschrift des § 118 Abs. 3 StVollzG soll - wie mit der Parallelvorschrift des § 345 Abs. 2 StPO - sichergestellt werden, dass das Vorbringen des Antragstellers in sachlich und rechtlich geordneter Weise in das Verfahren eingeführt wird und die Gerichte von unsachgemäßen und sinnlosen Anträgen entlastet bleiben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.2012 - 2 BvR 1095/12 - BeckRS 2012, 59994; OLG Koblenz, Beschluss vom 07.11.2011 - 2 Ws 531/10 (Vollz) -, zitiert nach [...]). Daneben soll das Formerfordernis des § 118 Abs. 2 StVollzG aber auch zugunsten des regelmäßig unkundigen Rechtsmittelführers dazu beitragen, dass sein Rechtsmittel nicht von vornherein an Formfehlern oder anderen Mängeln scheitert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.2012 - 2 BvR 1095/12 - BeckRS 2012, 59994).

Bei der Niederschrift zu Protokoll muss der Rechtspfleger, der als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle tätig wird, daher die ihm vorgetragenen Anträge auf Form und Inhalt prüfen, den Antragsteller belehren, auf Vermeidung offenbar unzulässiger Anträge hinwirken und zulässigen Anträgen einen angemessenen und klaren Ausdruck geben. Eine Begründung des Beschwerdeführers darf er nur dann zugrunde legen, wenn er für deren Inhalt und Form auch die Verantwortung übernehmen kann. Der Rechtspfleger ist dabei kein Werkzeug des Rechtsmittelführers, insbesondere auch keine Briefannahmestelle (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 07.11.2011 - 2 Ws 531/10 (Vollz) - m.w.N., zitiert nach [...]). Es führt daher zur Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde, wenn der Rechtspfleger lediglich auf eigene schriftliche Ausführungen des Rechtsmittelführers Bezug nimmt (vgl. BGHR StPO, § 345 Abs. 2, Begründungsschrift 2...

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