Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbanfechtung nach § 2078 Abs. 2 BGB wegen Motivirrtums
Normenkette
BGB §§ 2077, 2078 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Münster (Beschluss vom 29.01.2004; Aktenzeichen 12 O 215/03) |
Tenor
Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die gegen Zurückweisung des klägerischen Prozesskostenhilfeantrages eingelegte Beschwerde vom 12.2.2004 ist als sofortige Beschwerde i.S.v. § 127 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auszulegen und zulässig; sie ist insb. form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 127 Abs. 2, 569 ZPO). In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
II. Allerdings wird man dem Klagebegehren nicht unter Hinweis auf das vor dem AG Beckum laufende Erbscheinsverfahren 2 VI 265/03 das Rechtsschutzbedürfnis absprechen oder dem Kläger Mutwilligkeit hinsichtlich der beabsichtigten zivilprozessualen Klärung der strittigen Erbfolge unterstellen können. Hierauf weist die Beschwerdebegründung zu Recht hin.
Den Klageanträgen, für deren Verfolgung der Kläger Prozesskostenhilfe beansprucht, fehlt jedoch unter dem Gesichtspunkt der Aktivlegitimation die hinreichende Erfolgsaussicht, so dass Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden kann (§ 114 ZPO).
1. Die allein mit der Erbenstellung des Klägers begründeten Klageanträge sind nur dann berechtigt, wenn der Kläger Alleinerbe seiner am 7.6.2003 verstorbenen Ehefrau J.F., geb. A., geworden ist. Zur Begründung seiner Erbenstellung beruft sich der Kläger auf den mit der Erblasserin am 2.3.1977 abgeschlossenen Erbvertrag, in welchem sich die Eheleute gegenseitig zum Alleinerben des Überlebenden von ihnen eingesetzt und die jeweilige Erbeinsetzung des anderen "zwecks Herbeiführung einer erbvertraglichen Bindung" unter Rücktrittsausschluss angenommen hatten.
Ob die Erbeinsetzung des Klägers durch seine verstorbene Ehefrau schon nach § 2077 Abs. 1 Nr. 2 BGB unwirksam geworden ist, weil zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht nur (unstreitig) die Scheidungsvoraussetzungen vorlagen, sondern die Scheidung auch "beantragt" war, kann letztlich dahinstehen. Dies gilt insb. für die insoweit gebotene Klärung, ob der am 8.4.2003 beim FamG Beckum eingegangene Scheidungsantrag der Erblasserin dem Kläger wirksam noch vor dem Erbfall zugestellt worden ist.
2. Die Unwirksamkeit der erbvertraglichen Erbeinsetzung des Klägers folgt nämlich jedenfalls aus der Anfechtungserklärung der Beklagten zu 1)-3) vom 14.1.2004 ggü. dem AG - Nachlassgericht - Beckum. Deren Abgabe ist unstrittig und ergibt sich (mit Eingangsdatum 15.1.2004) im Übrigen aus der informationshalber beigezogenen o.g. Nachlassakte.
a) Unstreitig ist auch der zur Begründung der Anfechtung vorgetragene Sachverhalt, die Erblasserin habe bei der Errichtung des Erbvertrages im Jahre 1977 den Kläger als ihren Ehemann in der Erwartung zum Alleinerben eingesetzt, dass es in ihrer Ehe nicht zum Scheidungsverfahren komme.
Für das Vorhandensein einer solchen Erwartung auf Seiten der vertragschließenden Eheleute spricht auch, dass ihr Erbvertrag keinerlei Regelungen für ein Scheitern der Ehe vorsah und insb. keine Rücktrittsvorbehalte erfolgten. Die Ehe war zu jener Zeit noch keine 6 Jahre alt und offenkundig in Ordnung; eine Trennung der Eheleute erfolgte erst Anfang der 90er Jahre; selbst dann leitete über viele Jahre hinweg keiner der Ehegatten die Scheidung in die Wege.
Wurde mithin die Erblasserin bei der erbvertraglichen Einsetzung des Klägers zu ihrem Alleinerben von der Erwartung bestimmt, dass es in ihrer Ehe zu einem auf Ehescheidung abzielenden Verfahren nicht kommen werde, konnte die entsprechende letztwillige Verfügung wegen eines beachtlichen Motivirrtums nach § 2078 Abs. 2 BGB angefochten werden, als sich die ihr zugrunde liegende Vorstellung als irrig erwies. Es ist anerkannt, dass Motivirrtümer des Erblassers auch dann zur Anfechtung nach § 2078 Abs. 2 BGB berechtigen, wenn es sich bei den maßgeblichen Vorstellungen und Erwartungen um solche gehandelt hat, die der Erblasser als selbstverständliche Grundlage seiner Verfügung ansah, - selbst wenn er sie bei der Testierung nicht konkret in sein Bewusstsein genommen hat (BayObLG v. 30.10.1989 - BReg. 1a Z 19/88, FamRZ 1990, 322 [323]; OLG Hamm v. 7.1.1994 - 15 W 96/93, FamRZ 1994, 849 [851], m.w.N.; Palandt, BGB, 63. Aufl., § 2078 Rz. 6, m.w.N.).
Dass sich die Erblasserin in der genannten Erwartung irrte, hat sich mit der Einleitung - dem Anhängigmachen - der Ehescheidung auf ihren Antrag vom 7.4.2003 hin bei gleichzeitigem (unstreitigen) Vorliegen der gesetzlichen Scheidungsvoraussetzungen erwiesen. Es steht der diesbezüglichen Anfechtungsmöglichkeit nicht entgegen, dass das Fehlschlagen ihrer (die Erbeinsetzung mitbestimmenden) Erwartung auch von ihrem eigenen Verhalten abhing. Zur Begründung der Anfechtbarkeit nach § 2078 Abs. 2 BGB kommen nämlich auch solche Umstände in Betracht, die im Belieben des Erblassers stehen, - soweit er sie nicht treuwidrig selbst herbeiführt. Letzteres ist vorliegen...