Leitsatz (amtlich)
Bei der gemäß § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO nach Einstellung des Verfahrens zu treffenden Ermessensentscheidung über die Auslagenerstattung können Verdachtsmomente, die nach dem letzten Verfahrensstand einen zumindest hinreichenden Tatverdacht gegen den Angeschuldigten fortbestehen lassen, einer Auslagenerstattung entgegen stehen.
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe
I.
Dem Angeklagten war in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 7. Februar 1980 zur Last gelegt worden, sich im Juli und August 1978 der Vergewaltigung in zwei Fällen schuldig gemacht zu haben. Nachdem das Landgericht Dortmund das Hauptverfahren gegen den nicht geständigen Angeklagten durch Beschluss vom 14. März 1980 eröffnet und Hauptverhandlungstermin auf den 30. April 1980 anberaumt hatte, setzte sich der Angeklagte noch vor Durchführung der Hauptverhandlung mit unbekanntem Aufenthalt nach Jugoslawien ab. Das Verfahren wurde daraufhin zunächst vorläufig gemäß § 205 StPO eingestellt.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafkammer nunmehr das Verfahren wegen Verfolgungsverjährung gemäß § 206 a StPO (endgültig) eingestellt, die Kosten des Verfahrens der Staatskasse auferlegt und angeordnet, dass der Angeklagte seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen habe. Gegen die Versagung der Auslagenerstattung richtet sich die sofortige Beschwerde des Angeklagten.
II.
Die gemäß § 464 Abs. 3 S. 1 Halbs. 1 StPO statthafte (zur Nichtgeltung der Beschränkung des § 464 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 StPO vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl. , § 464 Rdnr. 19) und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht, bis auf den fehlerhaften Hinweis auf die hier nicht einschlägige Vorschrift des § 467 Abs. 4 StPO allerdings ohne Begründung, hat die Strafkammer davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
Nach § 467 Abs. 1 StPO fallen die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last, soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird. Von einer Auslagenerstattung kann das Gericht nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO allerdings absehen, wenn der Angeschuldigte "wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. "
Unter welchen Umständen die für diese gerichtliche Ermessensentscheidung notwendigen Tatbestandsvoraussetzungen bejaht werden können, ist umstritten. Die in Rechtsprechung und Literatur inzwischen wohl überwiegend vertretene Auffassung hält die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Versagung einer Auslagenerstattung nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO nur dann für gegeben, wenn der Angeschuldigte allein wegen des bestehenden Verfahrenshindernisses nicht verurteilt wird. Nach dieser Auffassung muss bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses mit Sicherheit von einer Verurteilung des Angeschuldigten auszugehen sein; bleiben Zweifel an der Schuld des Angeschuldigten, so soll es bei der Regelung des § 467 Abs. 1 StPO sein Bewenden haben (vgl. OLG Hamm, 3. Strafsenat, NStZ-RR 1997, 127; OLG Hamm, 2. Strafsenat, NJW 1986, 734; KG, NJW 1994, 600 = NStE Nr. 11 zu § 467 StPO; OLG Köln, NStE Nr. 7 zu § 467 StPO; OLG München, NStE Nr. 2 zu § 467 StPO; OLG Zweibrücken, NStE Nr. 1 zu § 467 StPO; BayObLG, NJW 1970, 875; OLG Hamburg, NJW 1969, 945; LG Berlin, NStE Nr. 10 zu § 467 StPO; Frank in KK-StPO, 4. Aufl. , § 467 Rdnr. 10 a). Folgt man dieser Auffassung, dass eine Auslagenerstattung nur versagt werden kann, wenn bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses eine Verurteilung mit Sicherheit zu erwarten wäre, so muss wegen der mit der Auslagenentscheidung verbundenen Feststellung und Zuweisung strafrechtlicher Schuld im Hinblick auf den mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatz der Unschuldsvermutung zuvor die Hauptverhandlung bis zur Schuldspruchreife durchgeführt worden sein; vor Erreichen dieses Verfahrensstadiums ist von diesem Standpunkt aus für eine Auslagenentscheidung nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO kein Raum (vgl. BVerfG, NStE Nr. 9 zu § 467 StPO).
Demgegenüber können nach einer weiteren in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung, die auch der erkennende Senat in seinem Beschluss vom 18. 01. 2000 - 5 Ws 6/00 - vertreten hat und an der er festhält, im Rahmen der gemäß § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO zu treffenden Ermessensentscheidung Verdachtsmomente, die nach dem letzten Verfahrensstand einen zumindest hinreichenden Tatverdacht gegen den Angeschuldigten fortbestehen lassen, einer Auslagenerstattung entgegen stehen (vgl. OLG München, NStZ 1989, 134; OLG Karlsruhe, JR 1981, 38; OLG Frankfurt, NJW 1980, 2031; LG Darmstadt; MDR 1988, 885; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a. a. O. , § 467 Rdnr. 16). Auch eine solche Auslegung der Ausnahmevorschrift des § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO ist, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, verfass...