Leitsatz (amtlich)
Macht der Käufer eines vom sog. Abgasskandal betroffenen und bei einem Händler erworbenen Fahrzeugs Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung (§§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 263 StGB, 826 BGB) allein gegen den Hersteller geltend, kann ein Gerichtstand gem. § 32 ZPO an dem Ort begründet sein, an dem der Kaufvertrag abgeschlossen worden ist, und an dem Ort, an dem die Erfüllungshandlungen zu dem Vertrag vorgenommen wurden. Ein Gerichtsstand an den genannten Orten setzt einen schlüssigen Klagevortrag zu einer beim Abschluss des Kaufvertrages und/oder seiner Erfüllung begangenen unerlaubten Handlung voraus. Wird die Zuständigkeit von einem verweisenden Gericht zwar rechtsfehlerhaft, aber mit einer auf den Einzelfall bezogenen und nachvollziehbar begründeten Prüfung des § 32 ZPO verneint, kann der Verweisungsbeschluss verbindlich sein.
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen 2 O 293/17) |
Tenor
Örtlich zuständig ist das Landgericht Traunstein.
Gründe
I. Die in T wohnhafte Klägerin hat am Landgericht Arnsberg Klage gegen die W AG auf Feststellung erhoben, dass diese verpflichtet ist, Schadensersatz für sämtliche Schäden zu leisten, die der Klägerin aus der Manipulation eines B Kombi entstanden sind.
Die Klägerin kaufte das Auto am 06.08.2015 für 38.800,02 EUR bei der B-Vertragshändlerin P GmbH & Co. KG im oberbayerischen N am Inn, das im Bezirk des Landgerichts Traunstein liegt, nachdem sie und ihr Ehemann auf eine Anzeige dieser Firma auf der Internetplattform "p.de" aufmerksam geworden waren (Anl. R 33). Es handelte sich um ein Gebrauchtfahrzeug mit einem Kilometerstand von 24.300 km, erstzugelassen am 02.05.2014. Bei der Durchsicht des Inserats fiel der Klägerin und ihrem Ehemann auf, dass die Beschreibung mit dem abgebildeten Fahrzeug nicht übereinstimmte. Mithilfe eines auf der Homepage der Beklagten zur Verfügung gestellten Programms ("Online-Konfigurator") stellten sie fest, dass die Farbe, die Felgen und die abgedunkelten Scheiben nicht zur Ausstattung des angebotenen Fahrzeugs gehörten. Da sie gleichwohl an einem Ankauf interessiert waren, vereinbarten sie einen Besichtigungstermin am 06.08.2015, der auf dem Betriebsgelände der Verkäuferin in N stattfand. Der Mitarbeiter der Verkäuferin, O, bestätigte, dass die Angaben in dem Inserat falsch seien.
Nach einer Probefahrt entschloss sich die Klägerin gleichwohl zum Kauf. Sie unterzeichnete eine verbindliche Bestellung und nahm das Fahrzeug sogleich mit nach Hause (Anl. K 1 = Bl. 42 d.A.). Nach ihrem Vortrag wurde der Kaufpreis sodann über das Online-Portal der E AG vom Konto ihres Vaters und vom Konto der Eheleute X in zwei Teilbeträgen am Abend des Kaufs und am Folgetag in Höhe von insgesamt 17.000,- EUR auf das Konto der Verkäuferin überwiesen (Bl. 464 f. d.A.). Der Restbetrag ist nach dem Vorbringen der Klägerin durch Inzahlungnahme des Altfahrzeugs erfüllt worden.
Mit der Terminverfügung vom 21.12.2017 hat das Landgericht Arnsberg darauf hingewiesen, dass es örtlich nicht zuständig sei. Der geltend gemachte Schaden bestehe darin, dass eine Verbindlichkeit begründet worden sei. Der maßgebliche Kaufvertrag sei aber nicht im Bezirk des Landgerichts Arnsbergs geschlossen worden. Soweit sich die Klägerin auf schadensursächliche Werbeversprechungen der Beklagten berufe, ergebe sich aus ihrem Vortrag nicht, durch welche konkrete Aussage sie in welchem Medium Kenntnis von den angeblichen Umwelteigenschaften des Fahrzeugs erlangt habe (Bl. 146 f. d.A.).
In ihrer Stellungnahme zu diesem Hinweis hat die Klägerin an ihrer Rechtauffassung festgehalten und keinen Verweisungsantrag gestellt (Bl. 154 d.A.). Die Beklagte hat sich der Zuständigkeitsrüge angeschlossen und dazu weitere Ausführungen gemacht (Bl. 336b ff. d.A.).
In der mündlichen Verhandlung vom 21.03.2018 ist die Frage der örtlichen Zuständigkeit erneut erörtert worden. Die Klägerin hat nunmehr hilfsweise für den Fall, dass das Landgericht Arnsberg seine örtliche Zuständigkeit weiterhin verneine, Verweisung an das örtlich zuständige Gericht beantragt (Bl. 459 f. d.A.).
Das Landgericht Arnsberg hat sich daraufhin mit Beschluss vom 11.04.2018 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Traunstein verwiesen (Bl. 469 f. d.A.). Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gem. § 32 ZPO sei am Begehungs- und Erfolgsort begründet; auf den Ort des Schadenseintritts komme es nicht an. Ein Grundsatz dahingehend, dass im Fall des § 826 BGB stets ein Gerichtsstand am Wohnsitz des Opfers begründet sei, bestehe nicht. Demnach sei darauf abzustellen, dass der Kaufvertrag bei der Verkäuferin in N abgeschlossen sei. Auf die vorgeschaltete Anzeige der Verkäuferin im Internet komme es nicht an. Der Schaden sei bereits mit Abschluss des Kaufvertrages in N eingetreten.
Das Landgericht Traunstein hat die Übernahme der Sache abgelehnt, sich mit Beschluss vom 16.07.2018 ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 473 ff. d.A.). Das Landgeric...