Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 4 O 257/11) |
Tenor
Dem Antragsteller wird für die klageweise Geltendmachung der in seinem Schriftsatz vom 9.11.2011 angekündigten Klageanträge zu Ziff. 2) bis 4) ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L aus E für die erste Instanz bewilligt.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des LG ist begründet, da die Bewilligungsvoraussetzungen des § 114 ZPO gegeben sind.
Entgegen der Auffassung des LG sind die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht gemäß den §§ 195, 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres 2006 verjährt. In Abweichung von der angefochtenen Entscheidung kann nicht angenommen werden, dass die Eltern als Wissensvertreter des Antragstellers (vgl. Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 11. Aufl., Rz. 573 m.w.N.) spätestens im Jahr 2003 die erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erlangt hatten.
Zur den Beginn der Verjährungsfrist eines Schadensersatzanspruchs wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers auslösenden Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gehört das Wissen, dass sich in dem Misslingen der ärztlichen Tätigkeit das Behandlungs- und nicht das Krankheitsrisiko verwirklicht hat. Dies setzt zwar nicht medizinisches Fachwissen voraus. Es ist aber zu verlangen, dass der Patient aus seiner Sicht als medizinischer Laie erkennt, dass der aufgetretene Schaden auf einem fehlerhaften Verhalten auf der Behandlungsseite beruht. Ihm muss daher aus seiner Laiensicht der Stellenwert des ärztlichen Vorgehens für den Behandlungserfolg bewusst sein. Deshalb beginnt die Verjährungsfrist nicht zu laufen, bevor nicht der Patient als medizinischer Laie Kenntnis von Tatsachen erlangt hat, aus denen sich ergibt, dass der Arzt von dem üblichen ärztlichen Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht getroffen hat, die nach dem ärztlichen Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich waren. Die erforderliche Kenntnis ist daher erst vorhanden, wenn die den Patienten bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten der Behandlerseite und die Ursache dieses Verhaltens für den Schaden als naheliegend erscheinen zu lassen (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.2009 - VI ZR 247/08 -, abgedruckt in NJW-RR 2010, 681, 682).
Die vom LG getroffenen Feststellungen erlauben nicht die Annahme des Vorliegens einer solchen Kenntnis. Insbesondere die insoweit zur Begründung herangezogene Befundung vom 1.12.2003 der am 28.11.2003 erfolgten MRT-Untersuchung durch den Radiologen Dr. N, wonach "relativ ausgeprägte Zeichen einer perinatalen Ischämieproblematik" bestanden haben, lässt den Schluss auf ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen jedenfalls noch nicht als naheliegend erscheinen, da die dort beschriebene perinatale Sauerstoffmangelversorgung auch schicksalhaft sein kann. Soweit das LG in diesem Zusammenhang Vortrag des Antragstellers dazu vermisst, wie seinen Eltern der Befund vom 1.12.2003 sowie die Ursache seiner Beschwerden durch seine Behandler erläutert worden ist, berücksichtigt dies rechtsfehlerhaft nicht, dass die Beklagte für die Voraussetzungen der von ihr gem. § 214 BGB erhobenen Einrede der Verjährung einschließlich der Kenntnis gem. § 199 BGB (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., § 199 Rz. 50) beweispflichtig ist, so dass weiterer Vortrag des Antragstellers hierzu auch unter dem Gesichtspunkt der sog. sekundären Darlegungslast nicht zu verlangen ist.
Es kann ferner nicht davon ausgegangen werden, dass eine grob fahrlässige Unkenntnis als subjektive Voraussetzung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorgelegen hat.
Im Arzthaftungsprozess ist bei der Prüfung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, zugunsten des Patienten insbesondere zu berücksichtigen, dass dieser nicht ohne weiteres aus einer Verletzungshandlung, die zu einem Schaden geführt hat, auf einen schuldhaften Behandlungsfehler zu schließen braucht. Deshalb führt allein der negative Ausgang einer Behandlung ohne weitere sich aufdrängende Anhaltspunkte für ein behandlungsfehlerhaftes Geschehen, welche vorliegend bis zur Erstellung der vom MDK eingeholten Sachverständigengutachten aus dem Jahr 2009 aus Sicht der Eltern des Antragstellers nicht bestanden haben, auch nicht dazu, dass der Patient zur Vermeidung der Verjährung seiner Ansprüche Initiativen zur Aufklärung des Behandlungsgeschehens entfalten müsste (vgl. BGH, Urt. v. 28.2.2012 - VI ZR 9/11 -, abgedruckt in NJW 2012, 1798, 1791; NJW-RR 2010, 661, 684).
Schließlich gebietet auch der Zweck der Verjährung eine solche Initiative eines Patienten im Gegensatz zur Auffassung des LG nicht. Zwar soll die Verjährung den Schuldner davor bewahren, nach längerer Zeit mit von ihm nicht mehr erwarteten Ansprüchen überzogen zu werden. Sie soll auch den Gläubiger dazu veranlassen, rechtzeitig gegen de...