Leitsatz (amtlich)
Zweifel am Vorliegen eines ernstlichen Testierwillens können sich aus dem Umstand ergeben, dass ein vermeintliches Testament nicht auf einer üblichen Schreibunterlage, sondern auf einem ausgeschnittenen Stück Papier bzw. auf einem zusammengefalteten Bogen Pergamentpapier errichtet worden sind.
Weitere Zweifel können darüber hinaus bestehen aufgrund der äußeren und inhaltlichen Gestaltung sowie der Aufbewahrung an einem für Testamente eher ungewöhnlichen Ort.
Normenkette
BGB § 2247
Verfahrensgang
AG Lübbecke (Beschluss vom 12.08.2015; Aktenzeichen 6 VI 260/14) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 3) vom 12.08.2015 gegen den Beschluss des AG - Nachlassgerichts - Lübbecke vom 15.07.2015 (6 VI 260/14) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten zu 4) werden den Beteiligten zu 1) und 3) auferlegt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 35.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 4) ist die Tochter der am 30.07.2013 verstorbenen Erblasserin N. Die verwitwete Erblasserin hatte neben der Beteiligten zu 4) einen weiteren Abkömmling, ihren im Jahr 2009 vorverstorbenen Sohn J. Die Beteiligten zu 1) bis 3) und die Beteiligte zu 5) sind die Kinder des vorverstorbenen Sohnes der Erblasserin.
Der Nachlass der Erblasserin bestand im Wesentlichen aus der Immobilie L-Weg in M, eingetragen im Grundbuch von M, Blatt ...., und hatte einen reinen Wert von ca. 140.000 EUR.
Nach dem Tod der Erblasserin beantragte zunächst die Beteiligte zu 4) die Erteilung eines Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge, nach dem die Erblasserin durch sie zu ½ und durch die übrigen Beteiligten zu je 1/8 beerbt worden ist. Dieser Erbschein wurde am 06.11.2013 antragsgemäß erteilt.
Anfang April 2014 reichten die Beteiligten zu 1) und 3) über ihre Verfahrensbevollmächtigte zwei Schriftstücke ein, bei denen es sich ihrem Vortrag nach um Testamente der Erblasserin handele.
Bei einem dieser Schriftstücke handelt es sich um einen ca. 8 × 10 cm großen, per Hand ausgeschnittenen Zettel mit folgender handschriftlicher Aufschrift:
Tesemt
Haus
Das für J
Unter dieser Aufschrift befinden sich die Jahreszahl 1986 sowie der Schriftzug "N" mit einem vorangestellten, nicht sicher lesbaren weiteren Buchstaben.
Bei dem zweiten Schriftstück handelt es sich um ein mehrfach gefaltetes Stück Papier, das der Beschaffenheit von Butterbrotpapier entspricht. Auf diesem befinden sich die gleichen Worte, wie auf dem anderen Schriftstück, allerdings in leicht abgewandelter Anordnung. Ferner ist auf diesem Schriftstück ein kleiner Schlüssel mit einem Klebefilm befestigt.
Wegen des genauen Erscheinungsbildes der beiden Schriftstücke wird auf die in dem angefochtenen Beschluss enthaltene Ablichtung verwiesen.
Beide Schriftstücke wurden am 10.04.2014 durch das Nachlassgericht als Verfügungen von Todes wegen eröffnet.
Durch am 10.09.2014 erlassenen Beschluss zog das AG - Nachlassgericht - Lübbecke den Erbschein vom 06.11.2013 ein.
Mit notariellem Erbscheinsantrag vom 08.09.2014 (UR-Nr. 101/2014 des Notars Dr. I in M) beantragte der Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Erbscheins, der ihn und seine Geschwister - die Beteiligten zu 2), 3) und 5) - als Miterben der Erblasserin zu je ¼ ausweisen sollte. Dabei vertrat er die Ansicht, dass es sich bei den beiden oben genannten Schriftstücken um zwei wirksame Testamente der Erblasserin handele, nach denen sein vorverstorbener Vater, der Sohn der Erblasserin, als Alleinerbe eingesetzt worden sei und nun mehr, an dessen Stelle seine vier Kinder getreten seien.
Nur die Beteiligte zu 4) trat diesem Erbscheinsantrag entgegen und äußerte Bedenken daran, dass die oben genannten Schriftstücke tatsächlich von der Erblasserin verfasst und unterzeichnet worden seien.
Am 29.01.2015 hörte das Nachlassgericht die Beteiligten sowie Frau G, die Schwiegertochter der Erblasserin und Ehefrau des vorverstorbenen Sohnes der Erblasserin, an. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll vom 29.01.2015 (Bl. 65 ff. der Akte) Bezug genommen.
Die Beteiligten zu 1) und 3) haben die Ansicht vertreten, die streitgegenständlichen Schriftstücke wiesen die erforderlichen Merkmale eines Testaments auf. Für den Testierwillen der Erblasserin spreche, dass diese beide Schriftstücke mit "Tesement" bezeichnet habe. Hierbei handele es sich zwar nicht um das korrekte Wort Testament, augenscheinlich habe die Erblasserin jedoch damit ihren letzten Willen zum Ausdruck bringen wollen.
Zudem habe die Erblasserin längere Zeit den Wunsch gehabt, dass ihr Sohn J die Immobilie erhalten solle, da er diese einige Zeit mit seiner Familie bewohnt und in die er erheblich investiert habe. Eine lebzeitige Übertragung sei an dem Widerstand der Beteiligten zu 4) gescheitert, ohne deren Einverständnis die Erblasserin offensichtlich nicht habe übertragen wollen.
Die Beteiligte zu 4) hat unangegriffen vorgetragen, die Erblasserin sei im Jahr...