Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung des ordre public bei Erbrechtsausschluss ausländischen Rechts mit religiös diskriminierendem Charakter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anwendung dieser Norm indiziert bei einem gegebenen Inlandsbezug einen Verstoß gegen den deutschen ordre public.

2. Bei der Abwägung gegenläufiger Grundrechtspositionen kann ein konkret feststellbarer Erblasserwille, die Rechtsfolgen seines Heimatrechts eintreten zu lassen, zu einem abweichenden Ergebnis führen. Der Beachtlichkeit des Erblasserwillens steht in diesem Zusammenhang nicht entgegen, dass sein Heimatrecht die Errichtung einer auf den Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge gerichteten letztwilligen Verfügung nicht ermöglicht.

 

Normenkette

GG Art. 3, 14; EGBGB Art. 6, 25

 

Verfahrensgang

LG Essen (Beschluss vom 21.01.2004; Aktenzeichen 7 T 431/03)

AG Essen (Beschluss vom 21.02.2003; Aktenzeichen 154 (84) VI 434/00)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird teilweise aufgehoben und, soweit er bestehen bleibt, zur Klarstellung wie folgt neu gefasst: Die Beschwerde der Beteiligten zu 3) und 5) bis 11) gegen den Beschluss des AG Essen vom 21.2.2003 i.d.F. des Nichtabhilfebeschlusses vom 24.7.2004 wird zurückgewiesen, soweit das AG die Erbscheinanträge zu Ziff. 1 und 2 des Beteiligten zu 3) zurückgewiesen hat.

Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten für das Verfahren der weiteren Beschwerde übertragen wird.

Der Gegenstandswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf bis zu 200.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten im Erbscheinsverfahren um die Rechtsnachfolge nach dem Erblasser.

Der am 12.5.1933 nahe Kairo geborene Erblasser war bis zu seinem Tod ägyptischer Staatsangehöriger muslimischen Glaubens. Er reiste 1955 in die Bundesrepublik Deutschland ein und nahm ein Studium der Zahnmedizin auf. Nach erfolgreichem Abschluss praktizierte er hier als niedergelassener Zahnarzt. Er behielt seine Praxis in Essen bis über sein 65. Lebensjahr hinaus bei. Aus seiner 1961 mit Frau Dr. X7, geborene E., geschlossenen Ehe, die am 6.11.1986 geschieden wurde, sind der 1962 geborene Beteiligte zu 2) und die 1970 geborene Beteiligte zu 1) hervorgegangen. Beide sind nicht muslimischen Glaubens. Die Eltern des Erblassers sind vorverstorben. Von den zum Zeitpunkt seines Todes noch lebenden sieben Geschwistern leben noch drei Schwestern und drei Brüder (die Beteiligten zu 3), 5), 6), 7), 8) und 11). Der vierte Bruder X (der ehemalige Beteiligte zu 4), verstarb am 1.2.2001. Letzterer war mit der Beteiligten zu 9) verheiratet, aus der Ehe sind der Beteiligte zu 10) sowie die Kinder I. und O. hervorgegangen.

Zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers bestand sein Vermögen in Deutschland im Wesentlichen aus dem Eigentum am Grundstück Grundbuch Bredeney, Bl. 667.

Die Beteiligte zu 1) hat die Erteilung eines gemeinschaftlichen, gegenständlich auf den in Deutschland befindlichen Nachlass beschränkten Erbscheins beantragt, der sie und den Beteiligten zu 2) zu je 1/2 als Erben ausweist. Weiter hat sie den Hilfsantrag gestellt, einen gegenständlich beschränkten Erbschein auszustellen, wonach der Erblasser auf Grund gesetzlicher Erbfolge ägyptischen Rechts unter Berücksichtigung des ordre public von dem Beteiligten zu 2) zu 2/3 und von ihr zu 1/3 beerbt worden ist.

Der Beteiligte zu 3) hat zunächst beantragt, ihm einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, der die zum Zeitpunkt des Erbfalls lebenden Brüder des Erblassers zu je 2/11-Anteil und seine zum Zeitpunkt des Erbfalls lebenden Schwestern zu je 1/11-Anteil als Erben ausweist. Hilfsweise hat er die Erteilung eines Erbscheines in Anwendung ägyptischen Rechts unter Berücksichtigung des ordre public beantragt, der die zum Zeitpunkt des Erbfalls lebenden Geschwister des Erblassers als Miterben zu je 1/7-Anteil ausweist. Äußerst hilfsweise hat er die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der die zum Zeitpunkt lebenden Geschwister des Erblassers sowie die Beteiligten zu 1) und 2) als Miterben zu je 1/9-Anteil ausweist.

Die Beteiligte zu 1) hat zur Darlegung der Erbfolge nach ägyptischem Recht drei Stellungnahmen des deutschen Notarinstituts zu den Akten gereicht. Die Beteiligte zu 3) und 5) bis 11) haben eine Ablichtung des "Decree of Distribution" vom 14.8.2000 des Ei Gomrek Summary Court for Personal Status in der Nachlasssache F. vorgelegt, wonach der Erblasser durch seine zum Zeitpunkt des Erbfalls lebenden Brüder zu je 2/11-Anteil und seine Schwestern zu je 1/11-Anteil beerbt worden ist.

Das AG hat mit Beschluss vom 21.2.2003 die Erbscheinsanträge des Beteiligten zu 3) mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle an der internationalen Zuständigkeit des deutschen Nachlassgerichtes für die Erteilung eines nicht auf den in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Nachlass beschränkten Erbscheins. Im selben Beschluss hat es angekündigt, in Anwendung ägyptischen Rechts unter Berü...

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