Leitsatz (amtlich)
Wirtschaftsfähigkeit des Hofanwärters muss grundsätzlich schon im Zeitpunkt des Erbfalls vorliegen; der Hoferbe muss bereits zu diesem Zeitpunkt imstande sein, den Hof ohne längere Umstellungszeit ("Lehrzeit") ordnungsgemäß zu bewirtschaften
Der Erbe eines Bullenmastbetriebes muss bei Eintritt des Erbfalls über jedenfalls ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten sowohl hinsichtlich der artgerechten Haltung der Tiere, als auch hinsichtlich der ordnungsgemäßen Feldbestellung verfügen, die ihn in die Lage versetzen, die Eigenbewirtschaftung des Hofes ohne Inanspruchnahme wesentlicher Hilfe durch Dritte zu übernehmen.
Normenkette
HöfeO § 6 Abs. 6 Sätze 1-2, § 7 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
AG Warendorf (Aktenzeichen 33 Lw 37/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1.) vom 27.03.2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Warendorf vom 19.02.2020 wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1.) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1.) bis 4.).
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 57.878,24 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im Hoffolgezeugnisverfahren um die Hoferbfolge betreffend den im Grundbuch des Amtsgerichts Warendorf von T Blatt ... eingetragenen Hof im Sinne der HöfeO nach ihrem am 00.00.2019 ledig und kinderlos verstorbenen Bruder Herrn I N (Erblasser).
Auf dem ca. 10 ha großen Hof und einer Zupachtfläche von ca. 6,5 ha wird im Nebenerwerb Ackerbau und eine Bullenmast mit etwa 60 Tieren betrieben.
Der am 00.00.1964 geborene Beteiligte zu 1.) ist Tischler und in diesem Beruf seit dem Jahr 1980 vollschichtig tätig. Landwirtschaftliche Weiterbildungen sind bis zum Erbfall nicht erfolgt.
Am 25.09.1987 errichtete der Erblasser ein eigenhändiges Testament, in dem er den Beteiligten zu 1.) als seinen Alleinerben einsetzte.
Im Dezember 1996 wurde bei dem Erblasser ein Gehirntumor diagnostiziert, weshalb auch in den Folgejahren wegen des Auftretens von Rezidiven mehrfache auch stationäre Behandlungen des Erblassers erforderlich wurden.
Am 22.08.2000 schlossen der Erblasser und der Beteiligte zu 1.) einen Betriebsüberlassungsvertrag, mit dem letzterem die land- und forstwirtschaftlichen Flächen des Hofes - mit Ausnahme des Wohnhauses - ab dem 01.09.2000 für die Dauer von 10 Jahren zur Nutzung überlassen wurden.
Am 12.11.2003 errichtete der Erblasser ein weiteres eigenhändiges Testament, in dem er den Beteiligten zu 1.) als Hoferben und Erben einsetzte, ersatzweise die Mutter der Beteiligten und weiter ersatzweise die Beteiligte zu 2.).
Mit weiterer schriftlicher Vereinbarung vom 07.07.2014 verlängerten der Erblasser und der Beteiligte zu 1.) die Laufzeit des Betriebsüberlassungsvertrages vom 22.08.2000 auf unbestimmte Zeit.
Ein letztes Testament errichtete der Erblasser am 28.04.2018. Darin setzte er den Beteiligten zu 1.) zu seinem Universalerben ein, ersatzweise die Beteiligte zu 2.).
Nach Eintritt des Erbfalls am 00.00.2019 beantragte der Beteiligte zu 1.) in notarieller Urkunde des Notars C G in P vom 23.04.2019 (UR-Nr. .../2019) die Erteilung eines Erbscheins nebst Hoffolgezeugnis.
Er sei testamentarisch und aufgrund der jahrelangen Nutzungsüberlassung zum Hoferben berufen, zudem sei er testamentarischer Erbe des hoffreien Vermögens. Aufgrund der jahrelangen Erkrankung des Erblassers habe er den Hof seit nunmehr fast 20 Jahren bewirtschaftet und sei daher wirtschaftsfähig. Soweit er aufgrund seiner Berufstätigkeit auswärts tätig sei und übernachte, sei die Betreuung des Betriebes durch einen Nachbarn sichergestellt, der während seiner Abwesenheit das Vieh betreue und Arbeiten auf den landwirtschaftlichen Flächen erledige. Infolge seiner Tumorerkrankung sei der Erblasser auf Hilfe und Unterstützung durch ihn, den Beteiligten zu 1.), angewiesen gewesen. Ab Mai 2018 sei der Erblasser absolut nicht mehr in der Lage gewesen, den landwirtschaftlichen Betrieb zu leiten. Zur Bewirtschaftung der Flächen habe er, der Beteiligte zu 1.), regelmäßig Lohnunternehmer eingeschaltet, Nachbarn hätten lediglich aushilfsweise unentgeltlich mitgeholfen. Sämtliche Bewirtschaftungsentscheidungen habe er selbst getroffen, im Jahr 2017 habe er den Spaltenboden im Bullenstall selbst erneuert.
Die Beteiligte zu 4.) sei nicht wirtschaftsfähig. Diese habe eine Berufsausbildung als Malerin absolviert und übe den Beruf auch heute aus. Zur selbständigen Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes sei sie nicht in der Lage.
Die Beteiligte zu 4.) ist dem Antrag auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses mit dem Vorbringen entgegen getreten, der Beteiligte zu 1.) sei nicht wirtschaftsfähig im Sinne der HöfeO. Gleiches gelte für die als Ersatzerbin eingesetzte Beteiligte zu 2.) und die Beteiligte zu 3.). Nur sie selbst sei wirtschaftsfähig, sie bewirtschafte zusammen mit ihrem Ehemann im Nebenerwerb einen Vieh- und Ackerbaubetrieb mit einer Eigentumsfläche von ca. 24 ha und regelmäß...