Verfahrensgang

AG Iserlohn (Aktenzeichen 154 F 84/20)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 10.11.2021 und die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin vom 28.03.2022 wird der am 15.10.2021 erlassene Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Iserlohn teilweise abgeändert und die Absätze 2 bis 4 der Beschlussformel wie folgt neu gefasst:

Ein Ausgleich des Anrechts des Antragstellers bei der B AG (Vers.Nr. ... 1) findet nicht statt.

Ein Ausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung X02 (Vers.Nr. ... 3) - allgemeine Rentenversicherung - findet nicht statt.

Ein Ausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung X02 (Vers.Nr. ... 3) - Höherversicherung (statisches Anrecht) - findet nicht statt.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

3. Der Beschwerdewert wird auf bis zu 30.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Bei den Beteiligten handelt es sich um getrennt lebende Ehegatten. Mit Ehevertrag vom 00.00.19XX vereinbarten sie Gütertrennung. Der Scheidungsantrag des Antragstellers ist der Antragsgegnerin am 16.12.2020 zugestellt worden.

Während der Ehezeit vom 00 00.19XX bis zum 00.00.20XX hat der Antragsteller ein Anrecht bei der Deutschen Rentenversicherung X mit einem Ausgleichswert von 8,7025 Entgeltpunkten sowie ein weiteres Anrecht aus einer privaten Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht bei der B AG erworben. Den Ausgleichswert für das zuletzt genannte Anrecht gab der Versorgungsträger in seiner Auskunft vom 01.02.2021 mit 34.114,50 EUR an.

Die Antragsgegnerin erwarb Anrechte bei der Deutschen Rentenversicherung X mit einem Ausgleichswert von 2,5053 Entgeltpunkten (korrespondierender Kapitalwert 18.896,19 EUR) in der gesetzlichen Rentenversicherung und einem Ausgleichswert von 0,38 EUR als Zusatzleistung aus der Höherversicherung (korrespondierender Kapitalwert 45,60 EUR).

Die Scheidung erfolgte mit am 11.05.2021 verkündetem Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Iserlohn. Die Folgesache Versorgungsausgleich wurde abgetrennt.

Mit am 15.10.2021 erlassenen Beschluss hat das Amtsgericht - Familiengericht - Iserlohn den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei hat es die Anrechte der Beteiligten jeweils ausgeglichen.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde vom 10.11.2021. Er rügt, dass das Familiengericht das Anrecht bei der B AG ausgeglichen hat, obwohl er bereits vor Ausspruch der Scheidung sein Kapitalrecht bezüglich dieser Versicherung ausgeübt habe. Die B AG bestätigt, dass der Antragsteller mit Erklärung vom 20.04.2021 das Kapitalwahlrecht ausgeübt hat.

Die Antragsgegnerin wendet ein, es läge eine grobe Unbilligkeit im Sinne des § 27 VersAusglG vor. Es handele sich um ein treuwidriges Verhalten, wenn der Antragsteller nach Ende der Ehezeit sein Kapitalwahlrecht ausübt und ein Ausgleich des aus der Versicherung resultierenden Vermögenswerts aufgrund vereinbarter Gütertrennung nicht erfolgen könne. Mit Schriftsatz vom 28.03.2022 hat sie Anschlussbeschwerde erhoben.

II. Die Beschwerde des Antragstellers ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (vgl. § 64 Abs. 1, 2 FamFG).

Die Anschlussmöglichkeit in Versorgungsausgleichsverfahren ist für die Antragsgegnerin gemäß § 66 FamFG unbefristet möglich.

Beide Rechtsmittel haben Erfolg.

1. Ein Ausgleich des Anrechts des Antragstellers bei der B AG im Wege des Versorgungsausgleichs findet nicht statt.

Private Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht unterfallen nach Ausübung des Kapitalwahlrechts nicht mehr dem Versorgungsausgleich, selbst wenn das Kapitalwahlrecht nach Ende der Ehezeit vor der letzten tatrichterlichen Entscheidung ausgeübt wurde (BGH, Beschluss vom 18.04.2012 - XII ZB 325/11 -, FamRZ 2012, 1039).

2. Der Ausgleich der Anrechte der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung X hat nicht zu erfolgen, da die Durchführung des Versorgungsausgleichs insoweit unbillig im Sinne des § 27 VersAusglG ist.

a) Es entspricht dem Leitgedanken des Halbteilungsgrundsatzes (§ 1 Abs. 1 VersAusglG), dass beide Ehegatten gleichermaßen an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen teilhaben sollen. Die Leistungen, die von den Ehegatten im Rahmen der ehelichen Rollenverteilung erbracht werden, sind als grundsätzlich gleichwertig anzusehen; die Leistungen desjenigen Ehegatten, der Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernommen hat, haben für das gemeinsame Leben der Ehepartner keinen geringeren Wert als das Erwerbseinkommen des berufstätigen Ehegatten. Der Versorgungsausgleich dient insoweit der Aufteilung von gemeinsam erwirtschaftetem Altersvorsorgevermögen der Ehegatten, welches nur wegen der in der Ehe gewählten Aufgabenverteilung einem der beiden Ehegatten rechtlich zugeordnet war (BGH, FamRZ 2017, 26; BVerfG FamRZ 1984, 653 und FamRZ 2003, 1173).

In diesem Zusammenhang erfüllt die Härteklausel des § 27 VersAusglG die Funktion eines Gerechtigke...

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