Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich: Entziehung von Anrechten durch Ausübung des Kapitalwahlrechts
Leitsatz (amtlich)
1. Entzieht ein Ehegatte ein von ihm zum Zweck der Alterssicherung erworbenes Anrecht durch Ausübung des Kapitalwahlrechts dem Versorgungsausgleich und wird dieser Entzug nicht dadurch kompensiert, dass der andere Ehegatte über ein anderes Ausgleichssystem an dem Vermögenswert teilhaben kann, verschiebt sich die Verteilungsgerechtigkeit unter den Ehegatten und entfällt in demselben Umfang die Grundlage dafür, in umgekehrter Richtung an Anrechten des anderen Ehegatten teilzuhaben.
2. Unbillig und treuwidrig ist es in dem Fall nicht, das eigene Anrecht dem Versorgungsausgleich entzogen zu haben, jedoch die damit verbundene Erwartung, gleichwohl in unverminderter Höhe an den Anrechten des anderen Ehegatten teilzuhaben.
Normenkette
VersAusglG §§ 2, 27
Verfahrensgang
AG Konstanz (Beschluss vom 04.04.2023; Aktenzeichen 16 F 166/21) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Konstanz vom 04.04.2023 (16 F 166/21) wird zurückgewiesen.
2. Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Konstanz vom 04.04.2023 (16 F 166/21) wird in den Gründen auf Seite 8 in Zeilen vier und fünf des zweiten Absatzes dahingehend berichtigt, dass es dort heißen muss: "mit den Versicherungsnummern ...578 und ...865".
3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der weiteren Beteiligten, die diese selbst tragen.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren auf 43.920 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Folgesache Versorgungsausgleich im Scheidungsverbund.
Mit Verbundbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Konstanz vom 04.04.2023 wurde die am 01.08.2003 geschlossene Ehe der beteiligten Eheleute aufgrund des am 23.11.2021 zugestellten Scheidungsantrags geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt. Mit notariellem Ehevertrag vom 27.08.2020 hatten die Beteiligten den Güterstand der Gütertrennung vereinbart. Die Trennung der Eheleute war am 04.11.2020 erfolgt. Die Vereinbarung eines vom Antragsteller im Herbst 2021 angeregten Verzichts auf den Versorgungsausgleich hatte die Antragsgegnerin abgelehnt.
Der Antragsteller verfügt über ein Anrecht bei der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt mit einem Ehezeitanteil von 2.034,76 EUR monatlich, welches das Gericht im Wege der internen Teilung durch Übertragung eines Ausgleichswerts in Höhe von 1.017,38 EUR monatlich (korrespondierender Kapitalwert: 171.167,01 EUR) ausgeglichen hat.
Weiter hat der Antragsteller ein Anrecht bei der KZVK. Diesbezüglich hat das Amtsgericht entschieden, dass ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht stattfindet und Ausgleichsansprüche nach der Scheidung vorbehalten bleiben.
Darüber hinaus verfügte der Antragsteller über zwei Rentenversicherungsverträge mit Kapitalwahlrecht bei der Allianz Lebensversicherungs-AG (Allianz PrivatRente IndexSelect), die das Amtsgericht nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen hat, weil die Versicherungsverträge ausweislich der Auskünfte der Allianz Lebensversicherungs-AG vom 14.02.2022 und vom 15.02.2022 am 01.10.2021 gekündigt wurden/abgelaufen sind. Versicherungsbeginn des Rentenversicherungsvertrags mit der Versicherungsnummer ...865 war der 01.05.2009. Aus dem Vertrag wurde dem Antragsteller am 01.10.2021 ein Betrag in Höhe von 151.435,13 EUR ausbezahlt. Versicherungsbeginn des Rentenversicherungsvertrags mit der Versicherungsnummer ...578 war der 01.08.2009. Aus dem Vertrag wurde dem Antragsteller am 01.10.2021 ein Betrag in Höhe von 82.444,51. EUR ausbezahlt.
Die Antragsgegnerin verfügt über zwei Anrechte bei der Deutschen Ärzteversicherung mit einem Ehezeitanteil von 7.626,48 EUR und einem zu übertragenden Ausgleichswert in Höhe von 3.813,24 EUR (Versicherungsnummer ...907) und mit einem Ehezeitanteil von 6.478,94 EUR und einem zu übertragenden Ausgleichswert in Höhe von 3.239,47 EUR (Versicherungsnummer ...007).
Weiter hat die Antragsgegnerin ein Anrecht bei der Bayerischen Ärzteversorgung (Versicherungsnummer ...026) mit einem Ehezeitanteil von 6,5309 Punktwerten erlangt. Der Versorgungsträger hat vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 3,2655 Punktwerten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert beträgt 21.606,18 EUR.
Schließlich verfügt die Antragsgegnerin über ein Anrecht bei der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt (Versicherungsnummer ...290) mit einem Ehezeitanteil von 1.510,42 EUR monatlich. Der Versorgungsträger hat vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 755,21 EUR monatlich zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert beträgt 127.059,16 EUR.
Das Amtsgericht hat gemäß § 27 VersAusglG von einem Ausgleich der Anrechte der Antragsgegnerin bei der Deutschen Ärzteversicherung und der Bayerischen Ärzteversorgung abgesehen und das Anrecht der Antragsgegnerin bei der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt im Wege der in...