Leitsatz (amtlich)
1. Wenn ein vorfahrtsberechtigter Verkehrsteilnehmer rechts an einer zum Stillstand gekommenen Fahrzeugkolonne vorbeifährt, muss er bei größeren Lücken damit rechnen, dass Querverkehr diese nutzt. Der Vorfahrtsberechtigte darf nur mit einer solchen Geschwindigkeit fahren, dass notfalls ein sofortiges Anhalten vor etwaigen abbiegenden Fahrzeugen möglich ist.
2. Wenn mehrere (auch unmarkierte) Fahrstreifen vorhanden sind und auf dem linken Fahrstreifen eine Fahrzeugschlage steht oder langsam fährt, darf diese auch innerorts nach § 7 Abs. 2a StVO nur mit geringfügig höherer Geschwindigkeit und mit äußerster Vorsicht rechts überholt werden.
3. Die Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge rechtfertigt eine Haftungsquote von 2/3 zu 1/3 zu Lasten des Abbiegenden, der einen Vorfahrtsverstoß gem. § 9 Abs. 3 StVO begangen hat und damit den Verkehrsunfall überwiegend verursacht hat.
Normenkette
BGB §§ 254, 823; StVG §§ 7, 18; StVO §§ 1, 3, 7; VVG § 115
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen 1 O 191/17) |
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin gegen das am 08.11.2018 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg (Az.: 1 O 191/17) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich; die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-4 ZPO.
Der Klägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen nach Zugang dieses Beschlusses gegeben.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von den Beklagten Zahlung von Schadensersatz wegen der Beschädigung des in ihrem Eigentum stehenden Kraftfahrzeuges, Typ VW EOS, amtl. Kennzeichen: ...9, anlässlich eines Verkehrsunfalls mit dem von der Beklagten zu 1) geführten und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw, Typ VW Sharan, amtl. Kennzeichen: ...8.
Der Ehemann der Klägerin, der Zeuge H, befuhr am 15.03.2016 die T-Straße aus Richtung Hauptstraße kommend und beabsichtigte, von dieser nach links in die Straße "G" einzubiegen, weswegen er sich auf die hierfür vorgesehene Linksabbiegerspur einordnete. Wegen eines Ampelrückstaus im Gegenverkehr standen ihm entgegenkommend mehrere Fahrzeuge, wobei ein Fahrzeug eine Lücke zu der Einmündung "G" ließ. Die Beklagte zu 1) befuhr die T-Straße auch in Gegenrichtung des klägerischen Fahrzeuges. Im Zuge des Linksabbiegens des Zeugen kam es zum Zusammenstoß im Bereich der Einmündung zur Straße "G" dergestalt, dass das von der Beklagten zu 1) geführte Fahrzeug mit der vorderen rechten Front gegen das hintere rechte Rad des klägerischen Fahrzeuges stieß.
Unter Fristsetzung bis zum 20.01.2017 wurde die Beklagte zu 2) anwaltlich vergeblich zur Zahlung von Schadensersatz, den sie gerichtlich mit 6.143,78 EUR beziffert, aufgefordert. Für die außergerichtliche Tätigkeit errechnet die Klägerin Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 EUR.
Die Klägerin hat behauptet, im Gegenverkehr habe sich ein dunkles Fahrzeug befunden, dessen Fahrer dem Ehemann der Klägerin mit Lichthupe bedeutet habe, dass dieser seinen Linksabbiegevorgang vor seinem Fahrzeug durchführen könne. Der Ehemann der Klägerin sei deshalb langsam angefahren und nach links in die Straße "G" eingefahren. Als er bereits in den Einmündungsbereich der Straße eingefahren sei, sei es zu dem seitlichen Anstoß hinten rechts gegen das Fahrzeug der Klägerin gekommen. Die Beklagte zu 1) sei trotz Sichtbehinderung in den Kreuzungsbereich eingefahren, nachdem sie zuvor mit einem "rechten Schlenker" die vor ihr wartenden Fahrzeuge umfahren habe, um sodann weiter geradeaus Richtung Hauptstraße zu fahren. Der Ehemann der Klägerin habe die Kreuzung bereits nahezu vollständig geräumt gehabt und habe sich auch schon in der Straße "G" befunden. Die Beklagte zu 1) habe wegen der vor der Ampel wartenden und sich stauenden Fahrzeuge nicht gesehen, dass der Ehemann der Klägerin seinen Linksabbiegevorgang bereits begonnen habe.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte zu1) habe den Zusammenstoß allein verursacht. Der Ehemann der Klägerin hingegen habe darauf vertrauen dürfen, dass er gefahrlos den Linksabbiegevorgang durchführen könne, zumal der Fahrer des entgegenkommenden Fahrzeuges auf sein Vorfahrtsrecht verzichtet habe und der Ehemann der Klägerin zudem kein weiteres Fahrzeug aus dem Gegenverkehr kommen gesehen habe, dem er noch hätte Vorfahrt gewähren müssen.
Sie hat daher beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 6.143,78 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.01.2017 zu zahlen,
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 571,44 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Bekl...