Verfahrensgang

LG Münster (Beschluss vom 22.04.1993; Aktenzeichen 11 O 662/92)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 1.800,– DM bis 2.100,– DM.

 

Gründe

Die nach Vorlage an das Oberlandesgericht gemäß § 11 Abs. 2 RPflG als sofortige Beschwerde geltende Erinnerung der Beklagten ist zulässig aber unbegründet.

Zu Recht hat die Rechtspflegerin die von den Klägern, die nach dem Tod ihres Sohnes während des Ausgangsrechtsstreits das Verfahren fortgesetzt haben, angemeldete Erhöhungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO in Höhe von 1.873,– DM (1.628,70 DM + 15 % Mehrwertsteuer) berücksichtigt.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO erhöht sich die Prozeßgebühr durch jeden weiteren Auftraggeber um 3/10, wenn der Rechtsanwalt für mehrere Auftragseber tätig wird und der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist.

Die Frage, ob im Falle, in denen die Erben als Gesamtrechtsnachfolgender des Erblassers den Rechtsstreit fortsetzen, eine Erhöhungsgebühr anfällt, wird zwar sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur häufig mit der Begründung verneint, daß die Erben als Gesamtrechtsnachfolger in das mit dem Erblasser begründete Auftragsverhältnis eintreten und kein neuer Auftrag erteilt werde; da der Mandatsauftrag weiterhin von einem Auftraggeber ausgehe, seien die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 somit nicht als gegeben anzusehen (vgl. OLG Schleswig, JurBüro 1979, 224; OLG Bamberg, JurBüro 1978, 1180; OLG Frankfurt, JurBüro 1982, 1346; OLG Düsseldorf, JurBüro 1982, 858; OLG Koblenz, JurBüro 1988, 1162; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 17. Aufl., Stichwort: mehrere Auftraggeber, Anm. 6.3).

Der Senat teilt die Ansicht, daß in einem solchen Fall im Hinblick auf §§ 86 ZPO, 675 BGB – wonach Vollmacht und Auftrag im Falle des Todes des Vollmacht- bzw. Auftraggebers nicht erlöschen – keine Mehrheit von Auftraggebern vorliege, aber nicht (vgl. OLG Hamm, JurBüro 1989, 192).

Im Rahmen des § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO ist nämlich nicht darauf abzustellen, ob es sich um mehrere Mandatsaufträge handelt. Maßgebend ist vielmehr, ob der Rechtsanwalt tatsächlich mehrere Auftraggeber, d.h. mehrere natürliche oder juristische Personen vertreten hat (vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 11. Aufl., § 6, Rdnr. 9). Wird anstelle des Erblassers eine Erbengemeinschaft, die aus zwei oder mehreren Personen besteht, Prozeßpartei, so hat der Rechtsanwalt auf Grund des vom Erblasser erteilten Auftrags jeden der Erben zu vertreten. Er hat nunmehr anstelle eines Auftraggebers die Interessen einer Personenmehrheit wahrzunehmen (so OLG München, JurBüro 1985, 1651; OLG Stuttgart, Justiz 1971, 183).

Ob die Vertretung mehrerer Personen tatsächlich Mehrarbeit verursacht, ist entgegen der vom LAG Hamm (Anwaltsblatt 1984, 389) vertretenen Meinung für den Anfall der Erhöhungsgebühr unbeachtlich. Es trifft zwar zu, daß der Gebührenzuschlag gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO aus der Erwägung heraus geschaffen worden ist, daß dem Rechtsanwalt bei Vertretung mehrerer Auftraggeber in der Regel eine gewisse Mehrarbeit erwächst. Der Gesetzgeber hat jedoch die Erhöhungsgebühr nicht davon abhängig gemacht, daß im Einzelfall auch tatsächlich Mehrarbeit angefallen ist. Er hat vielmehr aus Praktikabilitätsgründen eine pauschalierende Regelung getroffen, die auf möglichst äußere Umstände abstellt und so eine einfache Anwendung des Gesetzes gewährleistet. Dieser vom Gesetzgeber verfolgte Zweck würde verfehlt, würde im Kostenfestsetzungsverfahren jeweils die Prüfung stattfinden müssen, ob dem Rechtsanwalt im Einzelfall durch die Vertretung mehrerer Auftraggeber eine Mehrarbeit erwachsen ist oder erwachsen konnte (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 24. Aufl., BRAGO, § 6, Anm. 2; OLG München, JurBüro 1985, 1651; FG Saarland, JurBüro 1990, 602).

Die Beschwerde der Beklagten ist demnach zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf Nr. 1181 der Anlage 1 zu § 11 GKG und auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Wertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 12 GKG, 3 ZPO.

 

Unterschriften

Schulte-Tamburen, Schrempp-Rautenberg, Wagner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1780264

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