Leitsatz (amtlich)

Der Umstand, dass gesunde Straßenbäume oder Teile von ihnen bei orkanartigem Sturmgeschehen auf die Straße fallen und damit die Verkehrsteilnehmer gefährden können, begründet keine Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers, eine Straße bei einem derartigen Sturm vorsorglich zu sperren. Dass bei orkanartigem Sturm umherwehende Gegenstände oder umstehende Bäume oder Teile von ihnen auf die Straße stürzen können, ist aber allgemein bekannt. Jeder umsichtige Verkehrsteilnehmer kann sich auf die damit einhergehenden Gefahren - und sei es durch einen Verzicht auf das Benutzen der entsprechenden Straße - einstellen.

 

Normenkette

BGB § 839; GG Art. 34; StrWG NRW §§ 9, 9a

 

Verfahrensgang

LG Paderborn (Aktenzeichen 3 O 163/22)

 

Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung des Klägers gegen das am 05.10.2022 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer der LG Paderborn gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage zurecht abgewiesen.

Dem Kläger steht wegen des von ihm am 00.02.2022 auf der X.-straße in A. erlittenen Fahrzeugschadens kein Schadensersatzanspruch gegen die beklagte Stadt aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG und §§ 9, 9a StrWG NRW als der hier einzig ernsthaft in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage zu. Denn selbst unter Zugrundelegung des klägerischen Vorbringens fehlt es an einer haftungsbegründenden Amtspflichtverletzung der Beklagten. Die beklagte Stadt war entgegen der Ansicht des Klägers nicht dazu verpflichtet, wegen des zum Unfallzeitpunkt vorherrschenden Sturmes den von ihm befahrenen Abschnitt der X.-straße vorsorglich abzusperren.

Zwar obliegt der Beklagten als Straßenbaulastträgerin der X.-straße gemäß § 9, 9a StrWG NW als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit die Pflicht zu Erhaltung der Verkehrssicherheit. Dabei erstreckt sich Verkehrssicherungspflicht für die Straße auch auf die der Straße zuzuordnenden Straßenbäume. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Baum, der am Rand eines an einer öffentlichen Straße angrenzenden Waldstücks steht, indes nur dann der Straße zuzuordnen, wenn er Eigentümlichkeiten aufweist, die ihn vom Waldsaum abheben. Solange er hingegen unauffällig im Wald steht, erstreckt sich die öffentlich-rechtliche Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers nicht auf ihn (BGH, 19.01.1989, III ZR 258/87 - Rz. 20 juris). Ausgehend hiervon kann vorliegend schon nicht festgestellt werden, dass der am Fahrzeug des Klägers entstandene Schaden durch einen Straßenbaum verursacht wurde. Denn nach dem eigenen Vortrag des Klägers in der Klageschrift ist der Unfallbereich bewaldet und von hohen Bäumen umgeben. Das sich der schadensverursachende Baum irgendwelche Eigentümlichkeiten aufwies, die ihn vom angrenzenden Wald abhoben, hat der Kläger nicht dargelegt.

Doch selbst man zugunsten des Klägers davon ausginge, dass es sich bei dem schadensverursachenden Baum um einen Straßenbaum gehandelt hat, lässt sich eine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten nicht feststellen. Denn der Straßenbaulastträger hat aufgrund der ihm für die Straße obliegenden Verkehrssicherungspflicht zur Abwehr der von Straßenbäumen ausgehenden Gefahren nur die Maßnahmen zu treffen, die einerseits zum Schutz gegen Astbruch und Umsturz erforderlich sind, andererseits ihm unter Berücksichtigung des umfangreichen Baumbestandes der öffentlichen Hand auch zumutbar sind. Er genügt seiner Überwachungs- und Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Straßenbäume, wenn er diese in regelmäßigen zeitlichen Abständen hin auf die Standsicherheit hin kontrolliert. Er hat die dabei von ihm als gefahrbringend festgestellten Bäume oder Teile von diesen zu entfernen. Ist ihm dies innerhalb angemessener Zeit nicht möglich, kann ihn im Einzelfall auch die Pflicht treffen, die Straße bis zur Beseitigung des gefahrbringenden Baumes oder Teiles davon für den Verkehr zu sperren. Dass vorliegend die beklagte Stadt bereits vor dem Unfallgeschehen bei den von ihr durchzuführenden Baumkontrollen eine solchermaßen in der Beschaffenheit des konkreten Baumes begründete fehlende Standsicherheit desselben hätten erkennen und deshalb vorsorglich die X.-straße hätte sperren müssen, behauptet indes der Kläger selbst nicht.

Dass nicht jede von einem Baum oder einzelnen seiner Äste ausgehende Gefahr immer von außen erkennbar ist, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Vielmehr muss der Verkehr gewisse Gefahren, die nicht durch menschliches Handeln entstehen, sondern auf Gegebenheiten oder Gewalten der Natur beruhen, als unvermeidbar hinnehmen. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt deshalb in solchen Fällen nur vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung au...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge