Leitsatz (amtlich)

Die Gefahr von herabfallenden Vogeleiern besteht in zahlreichen Bereichen des öffentlichen Straßenverkehrs. Zu einem allgemeinen Schutz des Verkehrs vor den hiermit verbundenen Risiken z.B. durch das Anbringen von Abwehrnetzen, die ein Vogelnisten verhindern sollen, ist der Verkehrssicherungspflichtige aufgrund der damit verbundenen erheblichen personellen und wirtschaftlichen Aufwände regelmäßig nicht verpflichtet.

 

Normenkette

BGB § 839; GG Art. 34; StrWG NRW §§ 9, 9a, 47

 

Verfahrensgang

LG Hagen (Aktenzeichen 8 O 396/21)

 

Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 15.09.2022 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hagen durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen oder die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Die mit der Berufung gegen das angefochtene Urteil erhobenen Einwände tragen weder im Sinne des § 513 Abs. 1 ZPO die Feststellung, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO), noch, dass nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Dem Kläger steht wegen der vermeintlichen Beschädigung seines Fahrzeugs durch ein herabfallendes Taubenei im E.tunnel in U. am 00.03.2021 kein Anspruch auf Schadensersatz gegen das beklagte Land aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 S. 1 GG und §§ 9, 9a, 47 StrWG NRW als der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage zu. Denn nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts fehlt es bereits an einer haftungsbegründenden Verkehrssicherungspflichtverletzung des beklagten Landes.

Diesem obliegt zwar als Straßenbaulastträger für die Landstraße gemäß §§ 9, 9a und 43 Abs. 1 Nr. 1 StrWG NRW die Verkehrssicherungspflicht für die H.-straße und den ihr zuzuordnenden E.tunnel. Nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts war das beklagte Land vorliegend aufgrund der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht aber nicht dazu verpflichtet, den Fahrzeugverkehr im Tunnel durch Anbringung von Taubenabwehrnetzen vor Schäden durch herunterfallende Taubeneier zu schützen

1.Nach gefestigter Rechtsprechung, welcher der Senat folgt, haben die für die Sicherheit der in ihren Verantwortungsbereich fallenden Verkehrsflächen zuständigen Gebietskörperschaften darauf hinzuwirken, dass die Verkehrsteilnehmer in diesen Bereichen nicht zu Schaden kommen. Dabei muss der Sicherungspflichtige allerdings nicht für alle denkbaren, auch entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorkehrungen treffen, da eine Sicherung, die jeden Unfall ausschließt, praktisch nicht erreichbar ist. Vielmehr bestimmt sich der Umfang der Verkehrssicherungspflicht danach, für welche Art von Verkehr eine Verkehrsfläche nach ihrem Befund unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der allgemeinen Verkehrsauffassung gewidmet ist und was ein vernünftiger Benutzer an Sicherheit erwarten darf. Dabei haben die Verkehrsteilnehmer bzw. die Straßen- und Wegebenutzer die gegebenen Verhältnisse grundsätzlich so hinzunehmen und sich ihnen anzupassen, wie sie sich ihnen erkennbar darbieten, und mit typischen Gefahrenquellen zu rechnen. Ein Tätigwerden des Verkehrssicherungspflichtigen ist erst dann geboten, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit einer Rechtsgutsverletzung anderer ergibt (Senatsurteil vom 23.04.2021 - 11 U 119/20, juris Rn. 5; OLG Hamm, Urteil vom 13.01.2006 - 9 U 143/05, juris Rn. 9; OLG Hamm, Urteil vom 25.05.2004 - 9 U 43/04, juris Rn. 11). Dabei wird die Grenze zwischen abhilfebedürftigen Gefahren und von Benutzern hinzunehmende Erschwernissen ganz maßgeblich durch die sich im Rahmen des Vernünftigen haltenden Sicherheitserwartungen des Verkehrs bestimmt, die sich wesentlich nach dem äußeren Erscheinungsbild der Verkehrsfläche und deren Verkehrsbedeutung orientieren (Senatsurteil vom 23.04.2021 - 11 U 119/20, juris Rn. 5; OLG Hamm, Urteil vom 13.01.2006 - 9 U 143/05, juris Rn. 9; OLG Hamm, Urteil vom 25.05.2004 - 9 U 43/04, juris Rn. 11). In diesem Zusammenhang ist weiter zu beachten, dass die Verkehrssicherungspflicht auch unter dem Vorbehalt des Zumutbaren steht, wobei es auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt (BGH, Urteil vom 23.07.2015, III ZR 86/15, juris Rn. 10). Sicherungsmaßnahmen sind umso eher zumutbar, je größer die Gefahr und die Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung sind (BGH, Urteil vom 31.10.2006 - VI ZR 223/05, juris Rn. 11). Ist eine Gefährdung zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten, müssen keine Schutzmaßnahmen getroffen werden; in diesem Fall ist ein Schaden ausnahmsweise vom Geschädigten selbst zu tragen (BGH, U...

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