Verfahrensgang
AG Bielefeld (Aktenzeichen 35 OWi 1010/11) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird
a) im Schuldspruch klarstellend dahin berichtigt, dass der Betroffene der fahrlässigen Nichtbefolgung eines roten Wechsellichtzeichens schuldig ist,
b) im Rechtsfolgenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen “Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage gemäß § 37 Abs. 2 StVO und § 24 StVG„ zu einer Geldbuße von 500 € verurteilt. Nach den Ausführungen in den Urteilsgründen befuhr der Betroffene am 8. Mai 2011 gegen 08.32 Uhr in C die E-Straße in Fahrtrichtung Innenstadt. Im Bereich der Kreuzung der E-Straße und der C1-Straße passierte er die dort aufgestellte Lichtzeichenanlage, als das für seine Fahrtrichtung geltende Wechsellichtzeichen bereits seit zumindest 1,36 Sekunden rotes Licht anzeigte. Der Betroffene sei zu diesem Zeitpunkt abgelenkt gewesen, da er Probleme mit dem hinter ihm fahrenden Fahrzeug vermutet habe, das zu einer von ihm angeführten Fahrzeuggruppe gehört habe. Dennoch hätte er nach den Darlegungen des Amtsgerichts bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen
können und müssen, dass die Lichtzeichenanlage für seine Fahrtrichtung bereits
rotes Licht anzeigte, und noch vor der Lichtzeichenanlage anhalten können und müssen.
Mit ihrer formell und materiell wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten und mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründeten Rechtsbeschwerde, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist, wendet sich die Staatsanwaltschaft dagegen, dass das Amtsgericht von der Verhängung eines Fahrverbotes
abgesehen hat.
II.
Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.
1. Die wirksame Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch hindert den Senat nicht daran, das angefochtene Urteil im Schuldspruch zu Klarstellungszwecken zu berichtigen. Der Schuldspruch war zum einen um die Angabe der Schuldform (hier: Fahrlässigkeit) zu ergänzen, denn zur rechtlichen Bezeichnung der Tat im Sinne des § 46 Abs. 1 OWiG iVm § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO gehört bei Ordnungswidrigkeiten, die - wie hier - sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden können, auch die Angabe der Schuldform (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. [2011], § 260 Rdnr. 24 m.w.N.). Zum anderen sollen die
angewendeten Vorschriften nicht in die Urteilsformel aufgenommen werden, sondern sind im schriftlichen Urteil nach der Urteilsformel aufzuführen, § 46 Abs. 1 OWiG, § 260 Abs. 5 Satz 1 StPO (vgl. hierzu auch Meyer-Goßner, a.a.O., § 260 Rdnrn. 23 f, 49 ff).
2. Die Rechtsfolgenentscheidung des Amtsgerichts hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 BKatV iVm Nr. 132.3 des Bußgeldkatalogs kommt die Anordnung eines Fahrverbotes von einem Monat wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG in der Regel in Betracht, wenn der Fahrzeugführer ein rotes Wechsellichtzeichen bei schon länger als eine Sekunde andauernder Rotphase nicht befolgt. Die vorgenannten
Regelungen der Bußgeldkatalog-Verordnung begründen auf der tatbestandlichen Ebene eine Vermutung dafür, dass der Verstoß eine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG darstellt
(Deutscher in: Burhoff [Hrsg.], Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche
OWi-Verfahren, 2. Aufl. [2009], Rdnr. 1139), und indizieren auf der Rechtsfolgenseite des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG die Anordnung eines Fahrverbotes als erforderliche und angemessene Sanktion für den Verstoß (Deutscher, a. a. O., Rdnr. 1140).
b) Die Darlegungen des Amtsgerichts vermögen ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes nicht zu rechtfertigen.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ist der heute 50 Jahre alte Betroffene geschieden und hat einen 25 Jahre alten Sohn, der sich noch in der Ausbildung befindet und vom Betroffenen finanziell unterstützt wird. Der Betroffene betreibt mit einem Geschäftspartner ein kleines Möbelunternehmen, wobei er selbst Auslieferungen vornimmt und auch der einzige Inhaber einer Fahrerlaubnis für einen 7,5-Tonnen-Lkw ist. Er erzielt aus seiner Tätigkeit ein monatliches Einkommen in Höhe von ca. 1.500 € und leistet einen monatlichen Unterhalt von 500 € an seine frühere Ehefrau. Ausweislich des Verkehrszentralregisters wurden in den Jahren 2008 bis 2010 gegen ihn in vier Fällen rechtskräftig Geldbußen jeweils wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verhängt.
Zur Begründung seiner Entscheidung, von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen, hat das Amtsgericht ausgeführt, der Betroffene sei zwar zuvor bereits viermal straßenverkehrsre...