Leitsatz (amtlich)

Zu den Anforderungen der Verkehrssicherungspflicht für eine Gemeindestraße, deren Verkehrsbedeutung auf einen den Fußgänger- und Radverkehr zulassenden örtlichen Feld- und Waldweg beschränkt wurde.

 

Normenkette

BGB § 839; GG Art. 34; StrWG NRW §§ 9, 9a, 47

 

Verfahrensgang

LG Siegen (Aktenzeichen 1 O 369/20)

 

Tenor

I. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das 10.11.2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Siegen (Az.: 1 O 369/20) durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

II. Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu dem Hinweis Stellung zu nehmen oder mitzuteilen, ob die Berufung aus Kostengründen zurückgenommen wird.

 

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber nach einstimmiger Überzeugung des Senats in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Die Rechtssache hat zudem weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO); auch eine mündliche Verhandlung vor dem Senat ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1. Nr. 4 ZPO).

Die mit der Berufung gegen das angefochtene Urteil erhobenen Einwände tragen weder im Sinne des § 513 Abs. 1 ZPO die Feststellung, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO), noch, dass nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

Der Klägerin steht wegen des Sturzes, den sie am 00.00.20XX in A auf den für den Kraftfahrzeugverkehr gesperrten oberen Teilstück der B-Straße als Radfahrerin erlitten hat, keine Ansprüche gegen die Beklagte auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG, §§ 9, 9a, 47 Abs. 1 StrWG NRW als der hier einzig ernsthaft in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage zu. Denn wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat, lässt sich auf der Grundlage des Klagevortrages bereits eine der Beklagten zur Last fallende Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht feststellen.

Allerdings lässt sich, wovon letztlich wohl auch das Landgericht ausgegangen, eine Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht schon damit verneinen, dass es sich bei dem betreffenden Abschnitt der B-Straße um einen Wald- oder Feldweg handelt, dessen Benutzung gemäß §§ 14 BWaldG, 2 LFoG NRW, 57 LNatSchG NRW regelmäßig auf eigene Gefahr geschieht und bei dem der Sicherungspflichtige den Benutzer nur vor atypischen Gefahren zu schützen hat. Denn wie das Landgericht unter lit. B. I. 1.d) der Entscheidungsgründen seines angefochtenen Urteils zutreffend ausführt, bezieht sich § 57 LNatSchG NRW nur auf private, nicht aber auf im öffentlichen Eigentum stehende Wege, während die anderen beiden vorgenannten Bestimmungen nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmete Wege erfassen.

Es fehlt vorliegend aber nach den insoweit geltenden allgemeinen Grundsätzen an einer haftungsbegründenden Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten. Nach diesen obliegt zwar der Beklagten gemäß §§ 9, 9a, 47 StrWG NRW als Träger der Straßenbaulast für die Gemeindestraßen grundsätzlich die hoheitlich ausgestaltete Verpflichtung, die von ihr unterhaltenden Verkehrsflächen von abhilfebedürftigen Gefahrenquellen freizuhalten. Die für die Sicherheit der in ihren Verantwortungsbereich fallenden Verkehrsflächen zuständigen Gebietskörperschaften haben deshalb im Rahmen des ihnen Zumutbaren nach Kräften darauf hinzuwirken, dass die Verkehrsteilnehmer in diesen Bereichen nicht zu Schaden kommen. Allerdings muss der Sicherungspflichtige nicht für alle denkbaren, auch entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen, da eine Sicherung, die jeden Unfall ausschließt, praktisch nicht erreichbar ist. Vielmehr bestimmt sich der Umfang der Verkehrssicherungspflicht danach, für welche Art von Verkehr eine Verkehrsfläche nach ihrem Befund unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der allgemeinen Verkehrsauffassung gewidmet ist und was ein vernünftiger Benutzer an Sicherheit erwarten darf. Dabei haben Verkehrsteilnehmer bzw. die Straßen- und Wegebenutzer die gegebenen Verhältnisse grundsätzlich so hinzunehmen und sich ihnen anzupassen, wie sie sich ihnen erkennbar darbieten, und mit typischen Gefahrenquellen zu rechnen. Ein Tätigwerden des Verkehrssicherungspflichtigen ist erst dann geboten, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit einer Rechtsgutsverletzung anderer ergibt (OLG Hamm, Urteil vom 13.01.2006, 9 U 143/05, zitiert nach juris Tz. 9 mit Verweis auf: OLG Hamm, Urteil vom 19.07.1996 zu 9 U 108/96, NZV 1997, S. 43; OLG Hamm, Urteil vom 25.05.2004 zu 9 U 43/04, NJW-RR 2005, S. S. 255, 256). Dies ist der Fall, wenn Gefa...

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