Leitsatz (amtlich)
Unerhebliche Pflichtverletzung trotz Abweichung der Kaufsache von der vereinbarten Beschaffenheit, wenn der Kunde des Käufers die Kaufsache in Kenntnis der Abweichung ohne Nachteile für den Käufer abnimmt.
Normenkette
BGB § 434 Abs. 1, § 323 Abs. 5 S. 2
Verfahrensgang
LG Hagen (Urteil vom 15.10.2008; Aktenzeichen 22 O 56/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15.10.2008 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Hagen abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Gemäß § 540 I ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts Anderes ergibt.
Gegen das Urteil, mit dem sie zur Zahlung von EUR 63.782 nebst Zinsen verurteilt worden ist, richtet sich die Berufung der Beklagten, die sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags wie folgt begründet:
Sie rügt, das LG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich bei den Lieferungen vom 30.8.2006 und 20.10.2006 um Nachlieferungen gehandelt habe.
Die Spezifikation "ZF6" sei zwischen den Parteien nicht vereinbart worden, insbesondere habe sie - die Beklagte - eine derartige Spezifikation niemals bestätigt. An die Gemeinschuldnerin seien Rohteile aus denselben Chargen wie zuvor an die Fa. E geliefert worden. Die Gemeinschuldnerin habe die Rohteile, die zuvor von ihr - der Beklagten - an die Fa. E geliefert worden seien, von dieser - der Fa. E - übernommen.
Ein etwaiger Mangel sei jedenfalls nicht erheblich, da die Gemeinschuldnerin die nicht durch Schleifbrand beeinträchtigten Stirnräder an die Fa. E geliefert habe und die Gemeinschuldnerin auch nie darauf hingewiesen habe, dass der Titangehalt wesentlich sei. Dieser werde schließlich im Werkszeugnis des Herstellers auch nicht aufgeführt. Außerdem habe die Fa. E die zu Stirnrädern verarbeiteten Rohlinge auch nach dem Auftreten von Schleifbrand in Kenntnis der Nichteinhaltung der ZF6-Spezifikation infolge der Überschreitung des Titangehalts von der Gemeinschuldnerin abgenommen.
Die fehlende ZF6-Spezifikation sei nicht ursächlich für die Entstehung von Schleifbrand gewesen. Insbesondere sei es auch bei Rohlingen anderer Hersteller zu Schleifbrand gekommen, was bereits die teilweise Klagerücknahme bezüglich von 19 Rohteilen deutlich mache.
Die Gemeinschuldnerin treffe ein Mitverschulden, weil sie nach der Übernahme der Produktion von der Fa. E und der damit verbundenen Umstellung des Fertigungsprozesses die infolgedessen gebotene Erstbemusterung unterlassen habe. Außerdem fehle es insoweit an der notwendigen Untersuchung der Rohteile und rechtzeitigen Rüge etwaiger Mängel.
Auch die Anzahl der angeblich durch Schleifbrand in Mitleidenschaft gezogenen Rohteile von 599 Stück werde bestritten.
Die Beklagte beantragt, das am 15.10.2008 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Hagen abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Der Kläger, der nach der zwischenzeitlich eingetretenen Insolvenz der Gemeinschuldnerin als Insolvenzverwalter über deren Vermögen den Rechtsstreit aufgenommen hat, beantragt,
1. die Berufung zurückzuweisen,
2. die Revision zuzulassen.
Er verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.
Er behauptet, die Gemeinschuldnerin hätte die Lieferungen der Beklagten nicht akzeptiert, wenn sie gewusst hätte, dass der Stahl, aus dem die Rohteile hergestellt worden sind, nicht der ZF6-Spezifikation entspricht, da sie die Befürchtung hätte haben müssen, dass dies zu einer geringeren Haltbarkeit führe und die Fa. E ihr die Rohteile nicht abnehmen werde. Aufgrund eines Vorfalls im Jahre 2005, bei dem es bei Stahlteilen, die bei der Gemeinschuldnerin bearbeitet und an die Fa. E geliefert worden seien, zum Auftreten von Schleifbrand gekommen sei, sei die Gemeinschuldnerin diesbezüglich besonders sensibilisiert gewesen.
Dass der Schleifbrand auf der mangelnden Qualität der Lieferungen der Beklagten beruhe, ergebe sich bereits daraus, dass die bei einer anderen Schmiede bezogenen Rohteile unter den gleichen Bedingungen problemlos hätten bearbeitet werden können.
Eine erneute Untersuchung bzw. Erstbemusterung habe sie nicht durchführen müssen, da dies bereits ursprünglich von der Fa. E durchgeführt worden sei und ihr außerdem ein Werkszeugnis des Herstellers mitgeliefert worden sei, aus der sich die Einhaltung der ZF6-Spezifikation ergeben habe. Sie habe bei den streitgegenständlichen Rohlingen eine insoweit übliche Eingangskontrolle durchgeführt, bei der die Nichteinhaltung der ZF6-Spezifikation nicht feststellbar gewesen sei. Eine ch...